Kann man Druckerschwärze essen?

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Schwarze Farbe stellten schon Höhlenmenschen durch Kohle her. Auch heute ist Grafit in Druckerschwärze. Forscher wollen Recycling optimierten.

Da steht es gedruckt: schwarz auf weiß.“ Diese Redewendung ändert sich auch im Zeitalter des Internets nicht, in dem mehr Wörter auf dem Bildschirm als auf Papier gedruckt gelesen werden. Aber ist der gedruckte Buchstabe wirklich schwarz? Schließlich ist Zeitungspapier nicht rein weiß. „Schwarze Farbe kann durch das Zusammenmischen aller Farbpigmente erzielt werden, das ist aber zu teuer und ergibt nie ein völlig reines Schwarz“, erklärt Manfred Schreiner, Professor an der Akademie der bildenden Künste (Institut für Naturwissenschaften und Technologie in der Kunst). Darum greift der Mensch, seit er sich bildlich ausdrücken kann, bei schwarzer Farbe zu Rußpartikeln. „Generell ist das Schwarzpigment einfach Kohlenstoff in der Form von Grafit. Die Herstellung reicht von schwarzen Kohleresten im Feuer unserer Vorfahren, den Höhlenmenschen, bis zum Flammruß“, so Schreiner. Flammruß entsteht bei sauerstoffarmer (unvollständiger) Verbrennung von Erdöl oder Erdgas.

Ungiftig – wie Kohletabletten

Auf die Frage, ob derartige Druckerschwärze giftig sei, wenn sie etwa von der Zeitung auf das eingewickelte Gemüse abfärbt, kann der Professor schmunzeln: „Grafit ist ungiftig. Wenn man eine Magen-Darm-Verstimmung hat, nimmt man auch Grafittabletten zu sich.“ Auch Georg Kremer, von Kremer Pigmente aus Deutschland, betont, dass der schwarze Farbstoff nicht giftig sei: „Sorgen bereitet höchstens die Verschmutzung einer weißen Bluse.“ Doch der schwarze Kohlenstoff ist nicht der einzige Bestandteil der Farbe – schließlich muss das Gedruckte ja irgendwie auf dem Papier halten: Dies ermöglichen Bindemittel. Michael Schneider, Holzdruckkünstler und Mitarbeiter der Universität für angewandte Kunst, erklärt, dass die Druckerschwärze einen weiten Weg der Entwicklung zurückgelegt hat: „Früher bestand sie aus Ruß, Leinöl und Harz. Heute wird Druckfarbe in ebenso vielen Varianten hergestellt, wie es unterschiedliche Bedruckstoffe und Anforderungsprofile gibt.“

Inzwischen werden statt Leinöl Kunstharze verwendet, außerdem ist Sojaöl einer der wichtigsten Bestandteile der ölbasierten Druckerfarbe und der Lösungsmittel, sagt Schneider: „Doch der typische Geruch der Druckerschwärze, den eine im Hochdruck gedruckte Zeitung früher hatte und der Bibliophilen ähnliche Glücksmomente bescherte wie heute so manchem Neuwagenkäufer, der ist verschwunden.“ Außerdem war früher die Trocknungszeit der Farbe länger und die Abriebfestigkeit geringer: Berühmtes Beispiel der abgeriebenen Farbe sind in Zeitung verpackte „Fish and Chips“ in Großbritannien. Angeblich war der Geschmack der Druckfarbe mit dem kulinarischen Erlebnis des Nationalgerichts untrennbar verbunden.

Nur frische Farbe färbt ab

„Wenn heutzutage eine Zeitung abfärbt, dann war die Farbe noch nicht trocken, die Nachricht also frisch gedruckt“, fügt Kremer hinzu. „Druckfarbe muss eben trocknen, die Trocknungsdauer ist zumeist der bremsende Faktor für Druckmaschinen“, erklärt dazu Schneider von der Angewandten: „Die Geschwindigkeit ist beim industriellen Druck ein wesentlicher Aspekt, daher wurden UV-Druckfarben entwickelt: Sie basieren auf Polymeren, die unter UV-Licht blitzschnell aushärten.“

Wie gesundheitsbelastend all jene synthetischen Produkte (Kunststoffe) sind, die der Farbe ihre unterschiedlichen Eigenschaften geben, kann allgemein nicht beantwortet werden. Es kommt eben auf die Bindemittel (von Druckern „Firnisse“ genannt) an, in denen jede Menge Zusatzstoffe stecken. Schneider betont: „Das heute populärste und quantitativ wichtigste Druckverfahren, der Offsetdruck, verwendet für Druck auf Papier keine Bindemittel mehr, die toxische Stoffe beinhalten. Auch im Druckprozess ist der Einsatz von toxischen Hilfsstoffen oder Lösungsmitteln fast zur Gänze eliminiert worden.“

Wie trennt man Farbe und Papier wieder?

In welche Richtung die Forschung für eine „Druckerschwärze der Zukunft“ geht, kann auch der Pigmentexperte Kremer aus Deutschland nicht sagen. Schneider erklärt, dass ein wichtiger Fokus der Entwicklung derzeit auf der Trennung von Farbe und Papier bei Recyclingprozessen liegt: „Trotz der versprochenen ,papierlosen Zukunft‘ wird mehr ge- und bedruckt als je zuvor. Je leichter und umweltschonender, schneller und ungiftiger sich die Farbe wieder vom Papier löst, umso hochwertiger ist das gewonnene Rohmaterial und desto kostengünstiger der Prozess.“ In Forschungslabors fragt man demnach nicht, wie perfektioniere ich schwarz auf weiß, sondern wie trenne ich schwarz von weiß.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2010)

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