Kandidat verunglückt: "Wetten, dass..?" wird nicht eingestellt

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Unfall Wetten dass Sendung(c) EPA (HERMANN J KNIPPERTZ)
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Bei einem Sprung über ein fahrendes Auto verletzte sich der Wettkandidat schwer. Die Show wurde abgebrochen. Der 23-Jährige liegt im Koma. "Wetten, dass..?" wird aber sicherlich weiter gehen.

Das ZDF will seine Familienshow "Wetten, dass..?" trotz des schweren Unfalls eines Kandidaten am Samstagabend fortsetzen. "'Wetten, dass..?' wird sicherlich weiter gehen", sagte ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut am Montag im Radiosender NDR Niedersachsen. Allerdings werde mehr für den Schutz der Kandidaten getan. "Wir werden noch einmal den Sicherheitsstandard erhöhen, obwohl wir immer der Auffassung waren, er ist kaum zu erhöhen." Er werde nun jede einzelne Phase der Show prüfen.

"Wir müssen gucken, wie verändern wir die Regeln bei den Wettkandidaten so, dass sich so etwas nicht wiederholt", sagte Bellut. Bedrückend sei aber, dass es nie eine hundertprozentige Sicherheit geben könne.

"Ausgesprochen kritischem Zustand"

(c) Dapd (Hermann J. Knippertz)

Der verunglückte Kandidat Samuel Koch liegt derweilen im künstlichen Koma auf der Intensivstation der Universitätsklinik Düsseldorf. Nach Klinik-Angaben sind die Verletzungen schwerwiegender als nach dem Unfall vermutet. Zwar bestehe keine akute Lebensgefahr, der Patient sei aber in einem "ausgesprochen kritischem Zustand". Seine Verfassung habe sich seit Sonntag nicht verändert, teilte eine Sprecherin der Düsseldorfer Uniklinik am Montagmorgen mit.

Der 23-Jährige habe eine komplexe Verletzung an der Halswirbelsäule, auch das Rückenmark sei in Mitleidenschaft gezogen worden. Raab sprach außerdem von Lähmungserscheinungen. Er sei einer zweieinhalbstündigen Notoperation unterzogen worden und befinde sich derzeit im künstlichen Koma. Zu möglicherweise bleibenden Schäden wollte sich Raab nicht äußern.

Unfall bei erster Wette

Der 23-jährige Samuel Koch, der an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover studiert und Hobby-Kunstturner ist, hatte in der Rheinhalle gewettet, mit Hilfe von Federbeinen, die er sich unter die Füße schnallte, per Salto über fünf fahrende Autos zu springen. Bei zwei Wagen klappte der Versuch in der Live-Show. Danach streifte er ein von seinem Vater gesteuertes Auto, geriet ins Trudeln und prallte mit voller Wucht auf den Boden, wo er regungslos liegen blieb. Das ZDF brach die Übertragung ab.

In Proben bereits gestürzt

Bereits bei den Proben war Samuel Koch gestürzt, wie er noch vor der Sendung der "Badischen Zeitung" sagte. "Der Wett-Teil klappt noch nicht", zitierte ihn das Blatt. "Bei den Proben am Donnerstag bin ich zweimal schwer gestürzt." Die Proben hätten ihm zwar eine "gewisse Sicherheit" gegeben. "Ich bin aber doch noch skeptisch."

"Ich entlasse Sie ratlos"

Unmittelbar nach dem Unfall sagte Gottschalk: "Wir haben's ein paar Mal geprobt, und er hat's immer, immer geschafft eigentlich. Und einmal hat's ihn auf den Hintern gesetzt, aber da ist er sofort wieder aufgesprungen." Angekündigt hatte der Moderator die Wette mit den Worten: "Ich habe vieles gesehen in meiner Laufbahn, so gefürchtet hab' ich mich noch nie, dass dem jungen Mann etwas passiert. Ich kann nur sagen: Ich hoffe, alles geht gut." Gottschalk unterbrach die Sendung zunächst - das ZDF blendete Musikvideos ein. Kurz darauf brach Gottschalk die Sendung komplett ab. "Ich bringe es nicht fertig, jetzt hier weiter zu moderieren", sagte der kreidebleiche Gottschalk dem Publikum in der Halle. Er schickte die Zuschauer mit den Worten nach Hause: "Ich entlasse Sie ratlos. Ich bin ratlos, Sie sind ratlos - und traurig sind wir alle."

Eine "ganz furchtbare Erfahrung"

(c) Dapd (Hermann J. knippertz)

Später sagte der Moderator im ZDF-"heute journal": "Ich habe die letzte Meldung bekommen, und die lautet, dass er bei Bewusstsein ist, dass seine Eltern bei ihm sind und mit ihm gesprochen haben." Es sei das erste Mal in seiner Karriere, dass er die erfolgreiche Show abgebrochen habe. "Wir wollen nicht auf heiter machen, wenn wir nicht heiter sind", erklärte er. Vor Unfällen sei man in einer Live-Sendung nie gefeit. Für ihn als Entertainer seien die Ereignisse aber eine "ganz furchtbare Erfahrung", sagte Gottschalk.

"Habe ich noch nie erlebt"

ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut erklärte: "Die ersten Informationen über den Zustand unseres Wettkandidaten waren nicht eindeutig. (...) Unter dieser Voraussetzung konnten und wollten wir die Unterhaltungssendung nicht fortsetzen." Er kündigte eine gründliche Untersuchung des Unfalls an.

ORF-Unterhaltungschef in der ersten Reihe

Auf Gottschalks Gästeliste hatten die mit Robbie Williams wiedervereinigte Band Take That und der 16 Jahre alte Teenie-Schwarm Justin Bieber gestanden. Erwartet wurden auch die Hollywood-Schauspielerin Cameron Diaz, der österreichische Oscar-Gewinner Christoph Waltz, Sängerin Cher, Musiker Phil Collins, Mimin Alexandra Maria Lara sowie Hardy Krüger senior. Sie alle hätten, ebenso wie das anwesende Saal-Publikum, volles Verständnis für den Abbruch der Sendung gehabt, schilderte ORF-TV-Unterhaltungschef Edgar Böhm im Gespräch mit der APA. Böhm hatte den Zwischenfall in der "Wetten, dass...?"-Sendung live vor Ort erlebt. "Ich bin in der ersten Reihe gesessen. Der Unfall ist unmittelbar vor uns passiert." "Es war eine Stimmung, wie ich sie in einer Unterhaltungsshow noch nie erlebt habe", so Böhm. "Hinter den Kulissen war sofort klar, dass man nicht weitermachen kann. Es herrschte große Einigkeit: The show must not go on."

Wetten werden zukünftig besser überprüft

Auch unter Medienexperten herrschte am Sonntag Einigkeit darüber, dass der Moderator und der Fernsehsender richtig reagiert hätten. Obwohl man trotz intensiver Sicherheitsbestimmungen ein Restrisiko nie ausschließen könne, werde der ZDF die Verfahren für die Zulassung der Wetten nun einer genauen Überprüfung unterziehen, kündigte ein Sender-Sprecher an. Der ZDF-Verwaltungsratschef und Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, forderte unterdessen gegenüber der Zeitung "Die Welt" eine Quotendebatte im ZDF: "Natürlich müssen wir über die Themen sprechen: Wann werden die Grenzen des Verantwortbaren überschritten? Wie viel Risiko darf man eingehen? Und natürlich müssen wir auch über die Themen Nervenkitzel, Waghalsigkeit und Quote reden."

Gottschalk weist Vorwürfe zurück

Gottschalk wies unterdessen den Vorwurf, das "Wetten, dass...?"-Team hätte unter Konkurrenzdruck eine unverantwortliche Wette ins Programm genommen, gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" zurück. Auch Medienexperte Joe Groebel sieht den Unfall nicht als Folge von Quotendruck. Schon bei Sendungen in den 1970er Jahren, etwa "Wünsch Dir was" oder "Spiel ohne Grenzen", habe es schon immer gefährliche Einsätze gegeben - "und das alles vor dem Quotendruck". Dennoch glaubt er, dass der jüngste Unfall Folgen für "Wetten dass,...?" haben wird: "Solche Wetten wird es nicht mehr geben."

>> Internationale Pressestimmen zum tragischen Unfall

(APA/Red.)

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