Prozess: "Will Strache Hitler spielen?"

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ORF-Redakteur Moschitz hat FP-Chef Strache wegen übler Nachrede geklagt. Das Verfahren zeigt ein Sittenbild der Skinheads. Mehr als eineinhalb Jahre beschäftigt die Reportage „Am rechten Rand“ bereits die Justiz.

Ich schwöre auf meinen toten Hund, dass ich nicht ,Sieg Heil!‘ gesagt habe – und auch kein anderer.“ Da ist sich Philipp R. am Dienstag vor dem Straflandesgericht Wien ganz sicher – trotz mancher Gedächtnislücken, die ihn plagen, weil das Gericht „sich so viel Zeit nimmt“, wie er frech sagt. Er selbst ist mit Verspätung zum Prozess erschienen. Seinen Freund Kevin M. muss Richter Stefan Apostol von einer Polizeistreife holen lassen. Philipps Exfreundin kommt gar nicht. Vermutlich aus Angst vor ihm.

Seit mittlerweile mehr als eineinhalb Jahren beschäftigt die „Am Schauplatz“-Reportage „Am rechten Rand“ – eine Milieustudie über jugendliche Skinheads – die Justiz. Was er denn FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gerne gesagt oder gefragt hätte, will der Richter von Philipp wissen – damals bei der Wahlveranstaltung in Wiener Neustadt, wo Strache meint, von einem der beiden Skinheads ein „Sieg Heil“ gehört zu haben? „Will er Hitler spielen oder net – das hätt' ich ihn gern gefragt.“ Getraut habe er sich dann aber doch nicht. Gemeinsam mit Kevin war Philipp Protagonist der „Schauplatz“-Reportage „Am rechten Rand“. „Ich wollte ein Bewusstsein dafür schaffen, dass es junge Rechtsradikale gibt, die in unserer Gesellschaft geduldet werden“, erklärt ORF-Redakteur Ed Moschitz vor Gericht sein Vorhaben. Einer der Burschen sei schon vorher in einer Reportage vorgekommen – samt Hakenkreuz im Kinderzimmer. „Es hat mich sehr betroffen gemacht, dass niemand reagiert hat.“ Weder hätten sich Zuschauer erregt noch hätten Polizei oder Verfassungsschutz etwas unternommen.

Dass Moschitz sie zu Nazi-Sagern angestiftet hätte, wie Strache behauptet, bestreiten die beiden Skinheads. In seiner Aussage vor der Polizei hat Kevin noch anderes erzählt: Er habe „ziemlich viel“ gelogen, gesteht er. Warum? Die Ermittler hätten ihn vier Stunden lang unter Druck gesetzt. Warum Strache dann den Vorwurf erhebt? „Vielleicht weil er einen Hass auf den ORF hat?“, orakelt Philipp, der dem FP-Chef bereits in mehreren deftigen (an dieser Stelle nicht zitierbaren) E-Mails die Meinung gesagt hat. Mittlerweile ist sein politisches Interesse am FPÖ-Chef erloschen. „Was halten Sie denn von Herrn Strache?“, fragt der Richter. „Nix mehr“, sagt der Zeuge – und fängt sich mit der folgenden Fäkalinjurie eine Strafandrohung ein.

Tipp aus dem ORF von Walter Seledec

Strache reagiert gelassen – auch wenn er in diesem Verfahren auf der Seite der Beschuldigten sitzt: Moschitz hat die FPÖ wegen übler Nachrede geklagt, weil Strache behauptet, Moschitz habe die zwei Skinheads zu Nazi-Sagern angestiftet, der ORF habe dann die Bänder manipuliert, die Zitate entfernt. Den entsprechenden Tipp will Strache „aus der ORF-Direktion“ bekommen haben. Er nennt Walter Seledec, damals Chefredakteur in der ORF-Generaldirektion. Einen zweiten ranghohen Informanten will er nicht preisgeben. „Das wäre karriereschädigend.“

Später wird das Verfahren vertagt. „Das heißt, ich kann mich schleichen?“, fragt Philipp den Richter als er gehen darf. Bestätigung, dass er da war, braucht er keine. Und Fahrtkostenersatz? „Ja: Mich haben s' beim Schwarzfahren erwischt.“

Die Fakten

Im März 2010 strahlte der ORF die Reportage „Am rechten Rand“ über zwei jugendliche Skinheads aus: 458.000 schauten zu. Gleich danach sendete der ORF einen „Club2“ zum Thema, wo FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Redakteur Ed Moschitz vorwarf, er habe die jugendlichen Skinheads zu „Sieg-Heil“-Rufen angestiftet und dafür sogar eine „Prämie“ bezahlt. Die beiden bestritten das beim Prozess am Dienstag.

Im Juni 2011 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen Wiederbetätigung gegen Moschitz ein. Das Verfahren Moschitz gegen die FPÖ wegen übler Nachrede läuft noch – am Dienstag wurde vertagt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2011)

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