Axel Springer: Der Mann, der die "Bild"-Zeitung erfand

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Axel Springer Mann BildZeitung(c) Dapd (Steffi Loos)
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Am 2. Mai würde Axel Springer 100 Jahre alt. Der Verlag ehrt ihn mit einem großen Fest, sein Enkel macht den Kampf um seinen Erbteil öffentlich und Deutschland ringt um eine Einordnung des Großverlegers.

Der Arabische Frühling hätte Axel Springer gefallen, der Occupy-Bewegung wäre er indes mit Abneigung begegnet. Den vorherigen deutschen Bundespräsidenten, Christian Wulff, hätte er wohl verachtet, dafür dessen Nachfolger, Joachim Gauck, umso herzlicher als gleichgesinnten Freiheitskämpfer im neuen Amt begrüßt. Oder wäre alles anders gewesen? Hätte er die Aufstände in den arabischen Ländern kritisiert, den Occupiern in aller Welt etwas abgewinnen können, Wulff verteidigt, Gauck niedergeschrieben? Schwer zu sagen. Denn wenn der 1912 als Axel Cäsar Springer geborene Hamburger Verlegersohn für eine Sache bekannt war, dann für seine Unberechenbarkeit.

Wie schwer der Mann auch 25 Jahre nach seinem Tod zu fassen ist, wird auch an den Huldigungen, Kritiken und Einschätzungen seiner Person zum 100. Geburtstag am 2.Mai deutlich: Er sei in jungen Jahren ein Dandy, sein ganzes Leben lang ein Frauenheld und untalentierter Familienmensch gewesen, sagen viele; ein antiintellektueller Ästhet, jedenfalls ein guter Verleger, ein Kämpfer für die Freiheit und Antikommunist, der an die Wiedervereinigung Deutschlands glaubte. Ein Größenwahnsinniger, der seine politische Bedeutung mehrfach überschätzte, etwa als er 1958 nach Moskau reiste, um mit Nikita Chruschtschow über die Wiedervereinigung zu verhandeln und beim Sowjetchef abblitzte. Fortan kämpfte er in seinen Blättern „Welt“ und in der 1952 gegründeten „Bild“ gegen alles, was vom Osten kam.

Gottessucher, der der Astrologie vertraut

Für die einen war er der Anti-Nazi schlechthin, ein Israel-Freund, für den Jerusalem zur zweiten Heimat wurde, für andere war er verkappter Nazi. Beobachter attestieren ihm heute einen Verfolgungswahn und halten es für möglich, dass er an Schizophrenie litt. Enge Begleiter nennen ihn einen verletzlichen Einsiedler, einen Gottessucher, der der Astrologie vertraute, einen großzügigen Spender, einen Rast- und Ruhelosen, der unzählige Anwesen in Deutschland besaß.

Axel Springer hatte viele Facetten, sodass es bis heute unmöglich ist, zu sagen, wer er wirklich war. Jubiläen verlangen aber nach der Einordnung einer Person – zuletzt wurde viel gesagt und geschrieben über den Verleger, der fünf Mal verheiratet war und drei Kinder mit drei Frauen hatte. Jedes Urteil fällt anders aus, je nachdem, wer am Wort ist.

Vortrefflich Springer annähern kann man sich über seine vielen Feinde, die der Autor Tilman Jens in seinem jüngsten Buch klug zusammenfasst: Zuerst waren es die Studenten, die gegen ihn demonstrierten und ihn nach dem Tod von Rudi Dutschke zum „Mörder“ deklarierten. Wegen seines konsequenten Hasses auf die DDR (die er stets in Anführungszeichen setzte, weil er alle drei Buchstaben verlogen fand) war er Feindbild des Ostens, die Stasi ließ ihn jahrelang bespitzeln und Parolen wie „Enteignet Springer“ affichieren.

Die großen deutschen Dichter – von Heinrich Böll über Günter Grass bis Hans Magnus Enzensberger – schrieben (wie Böll in der „Verlorenen Ehre der Katharina Blum“) gegen die Methoden der Springer-Presse an, die Günter Wallraff aufdeckte, nachdem er sich 1977 als Reporter Hans Esser bei der „Bild“ eingeschlichen hatte.

„Krebsgeschwür am deutschen Körper“

Die großen Konkurrenzblätter sprangen den Kritikern zur Hilfe – „Zeit“, „Stern“ und „Spiegel“ wetterten gegen Springer, auch aus Neid über seinen großen wirtschaftlichen Erfolg. Axel Eggebrecht, Mitbegründer des Norddeutschen Rundfunks, nannte ihn das „Krebsgeschwür am Körper des deutschen Volkes“. Springers Credo aus Anfangstagen seiner Karriere, „Seid nett zueinander“, befolgte im Umgang mit ihm kaum jemand.

Pompös und staatsaktähnlich gefeiert wird der deutsche Verleger am Mittwoch in Berlin nur von seinen Erben, der Axel Springer AG und seiner Witwe Friede Springer. Die „Bild“-Zeitung huldigt ihren Gründer seit Tagen mit einer großen Artikelserie.

Die beste Einschätzung gelingt in der Doku, die Arte am Dienstag zeigt. Drei Regisseure nähern sich Springer aus drei Perspektiven: „Verleger – Feindbild – Privatmann“ lässt enge Vertraute und zwei seiner Frauen, eine Kurzzeit-Geliebte aus Wien, sowie den kritischen Biografen Michael Jürgs zu Wort kommen und sogar den Schweizer Autor Daniel de Roulet, der 2006 gestand, er habe 1975 Springers Chalet niedergebrannt.

Die Feiern zum 100. Geburtstag seines „Granddaddy“ wollte Enkelsohn Axel Sven Springer nützen, um seine Geschichte zu erzählen: Sein Vater Sven Simon nahm sich 1980 das Leben, fünf Jahre später wurde Enkel Springer mit 19 Opfer einer Entführung, die glimpflich ausging. Seit Jahren kämpft er vor Gericht gegen Friede Springer um seinen Erbteil, statt 25 Prozent erhielt er nur fünf. Der Enkel mag unrühmliche Eigeninteressen haben, sein Buch „Das (neue) Testament“ ist dennoch der spannendste und aufschlussreichste Beitrag zur Springer-Aufarbeitung rund um seinen 100. Geburtstag.

Bücher und Doku zum Jubiläum

Tilman Jens: „Axel Cäsar Springer. Ein deutsches Feindbild“ (Herder)

Axel Sven Springer: „Das (neue) Testament. Mein Großvater Axel Springer, Friede, ich und der Strippenzieher. Die wahre Geschichte einer Erbschaft“ (Haffmans & Tolkemitt)

Tim von Arnim: „Der Unternehmer Axel Springer“ (Campus Verlag)

Zum Wiederlesen: Biografien von Michael Jürgs (2001) und Hans-Peter Schwarz (2008)

Am 1. Mai sendet Arte um 20.15 Uhr den Dokumentarfilm „Drei Leben: Axel Springer. Verleger – Feindbild – Privatmann“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2012)

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