Der Mediator

Mediale Milde am Ende der Kampagnen

Besonders hart ist es für Printmedien, den Nachrichten an wilden Wahltagen hinterherzujagen.
Besonders hart ist es für Printmedien, den Nachrichten an wilden Wahltagen hinterherzujagen.REUTERS
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Der Wahlkampf war viel zu lang, dreckig und gemein. Wie gehen seriöse Magazine und der Boulevard mit solchen Beschädigungen um? In ihren Empfehlungen für diesen Sonntag sind manche Grobiane überraschend sanft und vieldeutig.

Am 15. Oktober, der mitten im Herbst milden Spätsommer vortäuscht, heißt es für die Wähler, Farbe zu bekennen. Auch der wechselhafte Mediator sollte sich nach so groben Kampagnen für die Nationalratswahl festlegen – und das bereits am Samstag, wenn das Blatt gedruckt wird! Ich bin mir noch nicht sicher, aber eines sei verraten: Die von mir relativ wahrscheinlich favorisierte Bewegung hat einen Spitzenkandidaten, dessen Name mit „z“ endet. Oder auch nicht. Wer weiß, was der Morgen bringt? Wie aber verhalten sich berühmte Kollegen? Printmedien jagen den Nachrichten stets nach. Das macht praktisch jede Festlegung heikel.

Am schlimmsten trifft es Magazine. Christian Rainer, der Chef des „Profil“, musste schon vor einer Woche bekennen, wem er damals zuneigte. Abgeneigt ist er nur der FPÖ. Sonst scheint er zufrieden: „Schade, dass nicht Kern UND Kurz gewinnen können“, gab sich Rainer in den angeblich letzten Tagen rot-schwarzer Bündnistreue elegant mittelgroß-koalitionär. Er könne sich an keine Wahl mit besseren Spitzenkandidaten erinnern. Das mache die Entscheidung zum Luxusproblem.

Solch polymorphe Beliebigkeit ist nichts für den Boss des „Falter“. Am Mittwoch stellt Armin Thurnher in seinem Leitartikel ultimativ fest: „Wer ist der bessere Mann?“ Wir wollen darüber hinwegsehen, dass die Frage für ein linksalternatives Blatt gendermäßig nicht gerade korrekt ist (Frau Lunacek von den Grünen sollte sich grämen), nein, es ist nicht einmal eine rhetorische Frage, sondern die Ouvertüre zu einem Erlass: Du sollst die Liste des Kurz nicht wählen, weil der einst bei einem Dinner (offenbar wichtiger Leute) gemein zu Thurnher war. Kurz habe ihn mit falschen „Falter“-Fakten düpiert. Man sieht, vorm Anpatzen sind selbst zarte „Falter“ nicht gefeit. Ein Abendessen reicht dem Chefredakteur und Herausgeber für eine „eindeutige Antwort, historisch untermauert“ – ja, die SPÖ sei in einem desolaten Zustand, ja, Kern habe Berater Silberstein engagiert, aber: „Christian Kern ist der bessere Kanzler.“ Nun, für solche Erkenntnis braucht es kein Kurz-Grillen, es genügte ein mitfühlendes Interview des „Falter“ mit Kern, um auf diese aalglatte Wahlempfehlung zu kommen.

Kommen wir von Qualitätsblättern zum reinen Boulevard. Was haben sie vorgefühlt? Christian Nusser, Chefredakteur von „Heute“ blickt in seinem Kommentar am Freitag gleich bis zum Montag voraus: „Klar ist, dass eine Zeit der Einkehr kommen muss. Scherben kitten. Wie verhindert man, dass ein Wahlkampf noch einmal so entgleist? Wer stoppt die politischen Wanderhuren, die dort anheuern, wo das Geld herkommt, aber Gift fürs Klima sind?“

Parbleu! So viel Selbstkritik hätten wir dem Gratisblatt nicht zugetraut. Wozu an den Unsinn und die Gemeinheiten von gestern denken? Wolfgang Fellner, Herrscher über „Österreich“dekretiert nach dem „emotionalsten, schmutzigsten, im Stil tiefsten, von den Kandidaten her besten Wahlkampf der Republik“ knallhart: „Es ist höchste Zeit für einen Neustart . . .“ Die Wähler hätten dafür eine ausgezeichnete Auswahl. Fellner schwärmt von Strolz, Pilz, Lunacek, Kern, Strache. Lauter Neophyten! „Und Sebastian Kurz ist fast die ideale Verkörperung für einen Neustart.“ Potztausend! Man fragt sich sofort: Was hat dieses Gratis-Universalbekenntnis die Parteien gekostet? Und was wird es Österreich bringen?

Die „Kronen Zeitung“ hielt sich am Samstag mit Kommentaren zur Wahl zurück, hatte aber schon eine Ahnung, was demnächst dräut: „Politiker schon auf Brautschau“ titelte das Blatt und setzte auf sensible Deutung der Körpersprache bei der Elefantenrunde im ORF am Donnerstag. Fazit: „Da kann jeder mit jedem, nur Kurz blieb weitgehend alleine.“ FPÖ-Chef Strache und SPÖ-Chef Kern sind also das Traumpaar für die „Krone“. Aber für diese Mesalliance fehlt garantiert noch der Segen von „Falter“, Fellner und „Profil“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2017)

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