Die Welt des Donald Trump auf Twitter

US-Präsident Donald Trump hat auf Twitter vor allem eine Mauer im Kopf.
US-Präsident Donald Trump hat auf Twitter vor allem eine Mauer im Kopf. APA/AFP/NICHOLAS KAMM
  • Drucken

Wer sich um neue nukleare Bedrohungen oder gar ums Klima sorgt, sollte seine Lektüre auf @realDonaldTrump beschränken. Und siehe, die Politik wird wieder heil. Der US-Präsident kann offenbar sogar Eisberge versetzen.

Für Nachrichtenmagazine ist es elementar: Welche sind die wichtigsten Storys der Woche? Je nach Weltanschauung und Weltgegend unterscheidet sich das Resultat. Die Wahrheit ist sinfonisch. Vergangene Woche zum Beispiel dominierte Venezuela in vielen Blättern. Das lateinamerikanische Land befindet sich faktisch im Bürgerkrieg. "Die Schlacht um Venezuela", mit der "The Economist" titelte, geht uns alle an. Russland, China und die USA haben sich in Stellung gebracht. Man spürt erneut den Hauch des Kalten Krieges. Der hat sich auch in einem direkten Kräftemessen zwischen Moskau und Washington gezeigt. Die USA steigen aus dem Abrüstungsvertrag über nukleare Mittelstreckenraketen aus, der die Welt seit 1987, der Endphase des Wettrüstens, sicherer gemacht hat.

Brexit, China oder Antarktis? Europa hingegen erregt neben der Flüchtlingskrise am Mittelmeer noch immer der Brexit, vor allem auf der Insel. Ein ungeregelter Ausstieg des Vereinigten Königreiches aus der EU hätte wahrscheinlich beträchtliche Auswirkungen auf die Stabilität des Kontinents und sogar darüber hinaus. Aber vielleicht ist doch der drohende Handelskrieg mit China das wesentliche Ereignis, das sich diesmal am Exempel Huawei zeigt. Oder gar eine recht verborgene Meldung: Das Abschmelzen an den Polen. Beunruhigendes war vom Thwaites-Gletscher in der Antarktis zu lesen. An seiner Unterseite klafft ein riesiges Loch, der Ozean dringt ein. Wir werden uns weltweit tatsächlich noch viel eher als gedacht auf höhere Meeresspiegel einstellen müssen.

Lassen wir diese Schreckensmeldungen beiseite! Lassen wir all die negativen Schlagzeilen aus Afrika, Nahost und dem Rest Asiens links liegen, blenden wir all die Luxusprobleme Europas aus und tun so, als ob die Welt nur im Kopf von Donald Trump passiert! Der US-Präsident von der Republikaner Gnaden ist doch ein unverbesserlicher Optimist. Wie fühlt man sich, wenn man nichts als dessen Verlautbarungen auf Twitter liest? Glücklich ist, wer so viel vergisst und sich exklusiv auf die Aphorismen von @realDonaldTrump (circa 58 Mio. Follower) verlässt, um sein Weltbild zu stärken. Immerhin hat der Präsident von Montag bis Freitag 50 (an)griffige Tweets abgefeuert.

Die Arbeitswoche begann er mit Aufwärmübungen: "BUILD A WALL & CRIME WILL FALL!" Dazu ein passender TV-Clip von der Grenze zu Mexiko. Es folgt eine Breitseite gegen Journalisten des rechten Senders "Fox News", die "noch weniger von den Verhandlungen über den Mauerbau verstehen" als sogar "die Leute bei FAKE NEWS CNN & NBC". Jeder vierte Tweet macht die Mauer, die Flüchtlingswelle aus dem Süden und Mexiko samt damit zusammenhängender Verbrechen zum Thema. Aber auch Eigenlob in anderen Angelegenheiten darf (neben der Verhöhnung von Demokraten) nicht fehlen. Es beginnt diesmal bei Tweet Nr. 3. Er habe in zwei Jahren mehr getan als jeder andere Präsident, behauptet Herr Trump: Für Militär, Justiz, Wirtschaft, Energie und noch viel mehr. Und dann auch noch all die Steuererleichterungen! "Glaubt da wirklich noch jemand, ich werde die MAUER nicht bauen?"

JOBS, JOBS, JOBS! The Donald geht über zu seinem segensreichen Wirken für die Stahlindustrie. Jeder sechste Tweet beschäftigt sich direkt mit der boomenden Wirtschaft und der Schaffung von Arbeitsplätzen. Einer davon fasst sie bereits wie im Wahlkampfmodus für 2020 zusammen: "JOBS, JOBS, JOBS!" Der dritte Schwerpunkt erfolgt wieder in eigener Sache. Wie war das noch einmal mit dem Projekt Trump Tower und der "Russia Connection" der Familie Trump? Für seine Twitter-Fans genügt ein Satz: "Diese Hexenjagd muss aufhören!" Und sonst? Einiges zu Nahost ("Es ist nun an der Zeit heimzukehren"), ein bisschen Venezuela ("Der Freiheitskampf hat begonnen"), Kalt-Warm für China im Handelskrieg und Exklusives zum Klima. Die Kältewelle in den USA inspirierte den coolen Don zu radikalem Zweifel: "Was zum Teufel passiert gerade mit der globalen Erwärmung? Bitte komm schnell zurück, wir brauchen dich!" Dann lieber doch eine Mauer!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 3.02.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.