14 rasende Jahre bis zu Europas Selbstzerstörung

Philipp Bloms „Der taumelnde Kontinent“ als Auftakt zum Gedenkjahr 1914 im ORF.

Unschwer vorauszusagen: Die Fernsehzuschauer werden in wenigen Wochen – wie jetzt schon die historisch interessierten Leser – mit Beiträgen zu Ursachen und Folgen des Ersten Weltkriegs überflutet. Der ORF gab den Startschuss bereits am Freitagabend mit der Ausstrahlung des ersten Teils der Dokumentation „Der taumelnde Kontinent“ im Rahmen der Reihe „Universum History“.

Die Zeit vom Beginn des Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs gehört mithin zu den politisch, gesellschaftlich und kulturell dramatischsten und faszinierendsten 14 Jahren der europäischen Geschichte. Das Wort „taumeln“, das der Historiker Philipp Blom für sein Buch und die TV-Doku gewählt hat, scheint dabei untertrieben: Der Kontinent „taumelte“ nicht, er „raste“ geradezu der Selbstzerstörung entgegen.

Bloms gemeinsam mit Robert Neumüller gemachte TV-Dokumentation, die im Jänner in einer dreiteiligen Fassung auch noch in 3sat ausgestrahlt werden wird, hat mehrere Stärken. Ein sprachlich überaus ansprechender, ja mitreißender Text untermauert die Bilder, wobei geschickt altes Archivmaterial und neue Aufnahmen ineinanderfließen. Gut gelungen ist weiters das Verweben von Politik und Gesellschaft, Kunst und Kultur, Naturwissenschaft und Technik.

Im Fall ihres Blicks auf Russland ist der Vorsatz der Autoren, Bezüge zur Gegenwart herzustellen, etwas zu ambitioniert geraten. Auch konzentrieren sie sich zu sehr auf das Geschehen in den Städten – die große Mehrheit der Menschen aber lebte damals weiter auf dem Land. Trotzdem: Dies ist gewiss eine der interessantesten historischen Dokumentationen geworden, die der ORF je gemacht hat.

E-Mails an: burkhard.bischof@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2013)

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