Duelle am Bahnsteig, Shakespeare-Rezitation und wuchtige Musik von Beethoven: Der "Tatort: Im Schmerz geboren" ist herausragend anders.
Unsere "Tatort"-Wertung:
5 von 5 Punkten
Worum geht's in "Im Schmerz geboren"?
High Noon auf einem alten Bahnhof in Hessen. Drei junge Männer werden in Western-Manier auf dem Bahnsteig erschossen, noch bevor einer von ihnen die Gelegenheit bekommt, die eigene Waffe zu ziehen. Der Tod von Marcellus, Claudius und Polonius (der Vater ist, man hört's, ein Fan von Shakespeare und seiner Tragödie „Hamlet“) ist der Auftakt zu einem bis ins klitzekleinste Detail durchdachten Rachefeldzug, mit dem der ehemalige Polizeischüler und spätere Drogenbaron Felix Harloff (Ulrich Mattes) sich an jenen Menschen rächt, die er dafür verantwortlich macht, dass er sein Land verlassen musste und seine Frau verlor (einer der „Täter“: Sein Sohn, bei dessen Geburt die Mutter starb).
Wer ermittelt?
In Wiesbaden ermittelt Felix Murot (Ulrich Tukur): Der wirkt vielleicht auf den ersten Blick ein wenig sauertöfpisch, hat aber eine charmante und erfrischend zynische Seite. Und: Er ist ein Mann mit Herz, der weiß, wann es besser ist, auf sich schießen zu lassen ohne zurückzuballern. Ihm zur Seite steht Magda Wächter (Barbara Philipp), die für Murot durch dick und dünn geht und eine wahre Freundin ist, wie sie im dramatischen Finale dieses „Tatort“ beweist.
Was gefällt?
Alles. Die Story. Die Machart. Die Kameraführung. Die Schauspieler. Drehbuchautor Michael Proehl und Regisseur Florian Schwarz haben aus „Im Schmerz geboren“ keinen gewöhnlichen „Tatort“ gemacht. Das ist eine außerordentliche Mischung aus modernem Western, Shakespeare-Drama und Thriller. Die Story ist bis zur letzten Sekunde perfid und erschütternd und wird inszeniert wie großes Kino: Mit Duellen, deren blutiger Höhepunkt zum kolorierten Standbild gefriert; mit einer artifiziellen Rahmenhandlung, durch die einer der Protagonisten (der Shakespeare-Freund und verhinderte Schauspieler Alexander Bosco, dargestellt von Alexander Held) führt; und mit wuchtiger, klassischer Musikuntermalung durch das HR-Sinfonieorchester. Grandios.
Wo hakt's?
Man würde es Murot vergönnen, dass sein ehemaliger Freund und numehr zwischen Gewissenlosigkeit und Geisteskrankheit wandelnder Widersacher Felix Harloff sein größtes Geheimnis nicht mit in den Tod nimmt. Andererseits: Shakespeare hätte dieses Drama nicht anders enden lassen.