„Totenstille“ - der Name ist Programm. Die Kriminalhauptkommissare Marx und Stellbrink ermitteln im Umfeld einer Gehörlosenschule, nebenher geht es um Liebe, Freundschaft und Familie - auf überraschend unkomplizierte, angenehme Art.
Unsere Wertung für diesen Tatort:
3 von 5 Punkten. (Würden die ersten 30 Minuten abgezogen, vielleicht 3,5. Mehr dazu unten.)
Worum geht’s?
Der Vorstand einer Schule für Gehörlose wird beerdigt. Auf dem Begräbnis findet sich der lange verloren geglaubte Sohn (Franz Hartwig) der Familie ein, um seiner Mutter (Lena Stolze), seiner gehörlosen kleinen Schwester (Jessica Jaksa) und deren ebenfalls gehörlosem Freund (Benjamin Piwko) Beistand zu leisten. Während ihm beim „Leichenimbs“ (scheinbar Saarländisch für Leichenschmaus) der Kragen platzt, stirbt neben dem Restaurant im Hotel eine Frau beim Sex mit ihrem ehemaligen Liebhaber (Martin Geuer); die Leiche wird allerdings nicht im Bett, sondern im Fluss gefunden.
Worum geht’s wirklich?
Um Familienbande in alle Richtungen. Um das einander Verstehen, ebenfalls in alle Richtungen. Um Geschwister, um Ehefrauen, um Geliebte. Was passiert, wenn Leute zurückkehren? Sie wirbeln Staub auf in den Leben jener Menschen, die sie einst hinter sich gelassen haben. Denn nicht nur der Sohn des Direktors, auch die Tote war lange weg aus dem verschlafenen Saarbrücken. Und während der Sohn damals still und leise gegangen war, sind die Trümmer, die die nun tote Frau im Saarland zurückließ, wesentlich größer.
Was gefällt?
Der Stoff klingt dicht und schwer, wird aber leicht – und dabei nicht seicht – erzählt. Der „Tatort“ soll ja immerhin auch ein bisschen unterhalten, und das gelingt ein bisschen besser, wenn die Schlüsse nicht allzu verworren daherkommen und der Zuseher fast immer ein bisschen schneller sein darf als die Ermittler. Die Tonschnitte in die „Welt“ der Gehörlosen, also in die Stille, sind überraschend, vor allem überraschend gut gemacht, und nicht pathetisch. Einige besondere Glanzlichter sind außerdem des Liebhabers geschasste Ehefrau (Nina-Mercedés Rühl), die ehrlich und echt wirkt, sowie die Schlussszenen, die den wichtigen Fragen des Lebens ganz ohne viele Worte, Sentimentalität oder „Tatort“-üblichen steifen Gefühlskitsch berühren - und einen fast ein bisschen glücklich zurücklassen.
Woran hakt's?
Die überraschenden Schnitte in die Stille kommen zu einem Zeitpunkt, an dem man diesen „Tatort“ fast schon abgeschrieben hat. Denn spannend wird es erst ab Minute 30. Die Sequenzen davor muss man nicht sehen, kann man aber, wenn man auf Liebesgeschichten und lahme Witze steht – Humorkanonen sind die saarländischen Ermittler nun wirklich keine. Dazu kommt auch eine Menge an Charakteren, die diesem „Tatort“ nicht wirklich weiterhelfen und ziemlich platt sind - passt aber irgendwie zu dem Film, dessen Farben, Tischdecken, Gartenmöbel an die 1990er-Jahre erinnern. Vielleicht ist im Saarland ja die Zeit stehen geblieben?
Wer ermittelt?
Kriminalhauptkommissar Stellbrink (Devid Striesow) ist in „Totenstille“ sympathisch, zugänglich, seine Handlungen nachvollziehbar. Mag sein, dass das daran liegt, dass der normalerweise recht verkappte Kommissar wegen der neuen, toughen (und unvergrämbaren) Kollegin Emmrich (Sandra Maren Schneider) einen kleinen Sinneswandel in puncto zwischenmenschlicher Kommunikation erlebt. Die Folge lebt jedenfalls von der Person Stellbrink, die diesem „Tatort“ die schönsten, menschlichsten Momente beschert. Seine Kollegin Kriminalhauptkommissarin Marx (Elisabeth Brück) hat hingegen nur wenige Auftritte - und auch an die paar kann man sich nicht so recht erinnern.