„Tatort“-Jubiläum mit Espresso und Wermutstropfen

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Zum 25. Dienstjubiläum rollen Batic und Leitmayr im München-"Tatort" einen Prostituierten-Mord wieder auf. Keine gute Idee. Robert Palfrader und Andreas Lust spielen mit.

Unsere Wertung:

7,5 von 10 Punkten

Worum geht’s?

Ein Rotlicht-Ganove wird wegen des Mordes an seiner Cousine – einer rumänischen Prostituierten – verurteilt. Dass er so schnell gestanden hat und das Urteil stoisch akzeptiert, finden die Kriminalkommissare Ivo Batic und Franz Leitmayr verdächtig. Sie meinen es gut, als sie den Fall neu aufrollen und auf eine weitere junge Rumänin stoßen, die verschwunden ist. Doch mit ihren neuerlichen Ermittlungen lösen sie eine verhängnisvolle Kettenreaktion aus, die mehrere Menschen das Leben kosten wird. Zu spät erkennen die beiden, dass sie sich in diesem Fall besser herausgehalten hätten.

Worum geht’s noch?

Es geht um Bordellbesitzer, die ihre Damen als „freie Unternehmerinnen“ bezeichnen – und sich damit von jeder Verantwortung drücken. Es geht um geschniegelte Jungs, hinter deren bürgerlichen Fassade ein Abgrund aus Sex-Parties, Gewalt und Menschenverachtung zum Vorschein kommt. Und es geht um eine echte Liebe, die nichts vergällen kann – auch kein Leichengift.

Was tut alles weh?

Ein Buch würde man unter dem Titel „Mia san jetz da wo's weh tut“ wohl eher nicht verkaufen. Einen „Tatort“ sollte man eigentlich auch nicht so nennen. Zu kompliziert. Auch wenn's die Sache auf den Punkt bringt. Was tut alles weh? Das Alter quält die beiden Kommissare offenbar nicht. Eher das schlechte Gewissen wegen des verbockten Falls, der immer schrecklichere Dimensionen annimmt. Es gibt ein paar Szenen, die geradezu schmerzhafte Dummheit/Naivität vorführen. Manchmal wird’s sehr brutal – man fragt sich, ob so viel Notwehrüberschreitung noch realistisch ist. Und am Ende ist nicht einmal ganz klar, wie die Sache jetzt genau ausgeht – keine Erlösung also für's gespannte Publikum.

Wo bleibt der Champagner?

Das Münchner Ermittlerteam feiert sein 25-jähriges Dienstjubiläum. 1991 ermittelten Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) in der Episode „Animals“ erstmals gemeinsam – damals ging es um den Mord an einer Tierschützerin. Der aktuelle Fall zeigt, dass auch Erfahrung und graue Haare nicht vor Fahrlässigkeit und blinden Flecken bei den Ermittlungen schützen. „Wie lang mach ma des jetzt scho?“, schnauzt Batic, über die eigenen Fehler verärgert, den Kollegen an. „Zu lang!“, mault Leitmayr, „und wenn ich was hass', dann so ein Dienstjubiläum – und dann an g'schissenen Champagner dazu.“ Den gibt’s dann ohnehin nicht. Statt dessen eine Runde Espresso – und einen großen Wermutstropfen dazu. Dieser Fall ist kein Ruhmesblatt, mit dem sich die beiden schmücken können.

Diese Rotlicht-Typen!

Eines muss man sagen: Es ist ein "Tatort" mit tollen bösen Bossen – teilweise mit österreichischen Schauspielern besetzt. Robert Palfrader ist Harry Schneider, der Rotlicht-Spezi von Ivo Batic. Seine Facetten reichen von zuckersüß (wenn's sein muss oder wenn das Töchterchen seine gehobenen Ansprüche näselt) über arrogant, großmäulig bis cholerisch. An seiner Seite: Andreas Lust als sein brutaler Handlanger Siggi, auch ein ziemlicher Unsympathler. Für Gänsehaut-Feeling sorgt Till Wonka als durchgeknallter Ex-Häftling, der sich mit einer Art Brunftschrei Drogen in die Venen schießt, um sich dann auf die Suche nach der Vermissten zu machen. Selten hat man vor dem Fernseher so sehr die Daumen gedrückt, dass das bitte, bitte nicht gelingen möge.

Und dann wäre da noch die Musik!

Richard Ruzicka breitet für die Liebenden und die Toten einen manchmal harmlos frohlockenden, dann unterschwellig besorgniserregenden Klangteppich aus. Wer klatscht da am Ende den Takt? Das kann doch nur der Teufel sein!

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