Der ist doch sicher gefährlich? Im Frankfurter Fall „Die Geschichte vom bösen Friederich“ spielt Nicholas Ofczarek einen freigelassenen Mörder, der mit Charme zu manipulieren weiß.
Unsere Wertung:
8,5 von 10 Punkten
Worum geht’s?
Der Friederich, der Friederich, das war ein arger Wüterich ... Wer kennt ihn noch, den Reim aus dem „Struwwelpeter“? Der böse Friederich schlug mit Stühlen, quälte Tiere und peitschte in blinder Wut sogar sein Mädchen. Alexander Nolte (Nicholas Ofczarek), der Bösewicht in diesem „Tatort“, ist zu solchen Widerlichkeiten ebenfalls fähig. Vor zwanzig Jahren hat er seine Freundin in der Badewanne ertränkt, Anna Janneke, damals Polizeipsychologin, jetzt Kommissarin, schrieb das Gutachten, das ihn lebenslang ins Gefängnis brachte. Nun ist er wegen guter Führung – und dank eines neuen Gutachtens seiner Therapeutin/Geliebten - wieder in Freiheit. Da wütet er, ganz klassisch vor einer dieser Verbrecher-Pinnwände mit Fotos und Zeitungsausschnitten, zu Rammstein-Rock. Und ersticht, scheinbar völlig grundlos und spontan, einen Obdachlosen. Nach außen hin gibt er sich aber als vorbildlich Resozialisierter, was es Janneke, die ihn bald wieder im Visier hat, äußerst schwer macht, ihm etwas nachzuweisen.
Worum geht’s noch?
Wer hier der Mörder ist, ist von Beginn an klar. Dieser „Tatort“ ist kein „Whodunnit“-Krimi, sondern ein raffinierter, rätselhafter Thriller, in dem nicht Indizien gesammelt werden, sondern Stück für Stück das Psychogramm eines so faszinierenden wie beängstigenden Mannes freigelegt wird. Kann ein Psychopath je vollständig geheilt werden, könnte ein Mörder immer wieder morden, und, vor allem, könnte hinter jeder sauberen Fassade ein so schmutziger Mensch stecken? Dieser durchgehend in Sepia-Tönen gehaltene und mit aufdringlichen Streicherklängen versehene „Tatort“ dreht sich um die Resozialisierung von Verbrechern und psychologische Manipulationen, auf die selbst Profis hineinfallen. Der dritte Fall der Frankfurter Kommissare deckt zudem ein Stück Vergangenheit von Anna Janneke auf. Und lässt vermuten: Da dürfte noch einiges kommen, das ihr das Ermitteln in der Gegenwart erschwert.
Wer ermittelt?
Anna Janneke (Margarita Broich) kann richtig schön grantig schauen, vor allem wenn ihre Alleingänge für Misstrauen im Kommissariat sorgen und ihre Überzeugungen als Hirngespinste abgetan werden. Die Ermittlungsarbeit wird zunehmend zum persönlichen Duell zwischen ihr und Nolte. Ihr Kollege Paul Brix (Wolfram Koch), der sich Mühe gibt, ihr zu glauben, bleibt ein bisschen farblos in diesem Fall. Aber das ist egal, denn die Frage sollte ja eigentlich lauten:
Wer ist der Bösewicht?
Nicholas Ofczarek spielt genial – und sichtbar mit Genuss – die Hauptrolle in diesem Fall. Alexander Nolte ist ein Intrigant, ein geschickter Charmeur, zugleich ein gefährlicher Killer. Seine Lust am Morden erinnert an den Serienkiller Dexter, auch die Art, wie er Opfern nachstellt und wie sorgsam er seine Verbrechen durchführt. Sein schmeichlerisches Geschick („Kaffee? Kekse? Ist Mozart okay?“, fragt er bei Jannekes Besuch), das diabolische Hochziehen seiner Mundwinkel lässt an den von Javier Bardem gespielten Bond-Widersacher in „Skyfall“ denken. Dieser „böse Friederich“ evoziert Gänsehaut – und ist einer der faszinierendsten Bösewichte der „Tatort“-Geschichte.
Was gefällt noch? Wo hakt's?
Die Brauntöne kann man mögen oder nicht, doch die Inszenierung der mehrfachen Grimme-Preisträgerin Hermine Huntgeburth ist stimmig. Für Schrecksekunden sorgen die fantasierten Szenen aus der Sicht des Bösewichts, in denen Menschen aus dem Nichts von Kugeln durchbohrt werden oder plötzlich Blut speien. Zuweilen geht es etwas schleppend voran, am Ende wirkt der Fall leicht über-konstruiert, als Details der emotionalen Verstrickung zwischen dem Mörder und der Kommissarin Janneke bekannt werden. Spannung und Grusel schmälert das aber nicht. Ein starker Fall!