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"Tatort" Wien: Morden für die gute Sache

Tatort 'Schock'
Tatort 'Schock'ORF
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In "Schock" droht ein Student mit Mord und Selbstmord. Können die "Tatort"-Kommissare Moritz Eisner und Bibi Fellner diese Wahnsinnstat verhindern?

Unsere Wertung für diesen "Tatort":

9 von 10 Punkten

Worum geht's in "Schock"?

Diesmal geht es nicht darum, einen Mord aufzuklären, sondern darum, einen zu verhindern. Ein Medizinstudent aus gutem Hause kündigt über soziale Medien an: "Ich werde meine Mutter, meinen Vater und anschließend mich selbst töten. Und ich werde ihnen erklären, warum." Immer wieder stellt er Botschaften ins Netz, die zeigen, dass er mit dieser Wahnsinnstat ("Ich bin normal. Völlig normal.") die gnadenlose Leistungsgesellschaft an den Pranger stellen will. Aus seiner Sicht würden die Morde einer guten Sache dienen. Die Ermittler müssen sich mit gestressen Jugendlichen auseinandersetzen - und mit einer Uni-Professorin (Mercedes Echerer), auf deren Theorien sich der Täter stützt. Ist das Zufall? Oder hat die einstige Aktivistin mit der Sache zu tun?

Worum geht's noch?

Es geht um junge Leute, die alles geben, die Pillen schlucken, um den Prüfungsstress aushalten zu können - und die trotzdem scheitern. Es geht um Eltern, die für ihre Kinder zu viel wollen - und ihnen zu wenig geben. "Niemand fragt später, wer du bist. Sondern nur: Was du bist", sagt der entführte Vater zu seinem Sohn. Und: "Ich habe dir doch alles gegeben." Der kontert: "Ja, außer dir selbst".

Wer ermittelt?

Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) gerät diesmal in ein gehöriges Dilemma, weil seine Tochter Claudia (Tanja Raunig) mit Kerem liiert ist, der etwas mit der Sache zu tun zu haben scheint. Eisner lässt sie sogar abführen - beide! Und muss sich dann was anhören: "Papa, was habt ihr genommen, als du Student warst? LSD? Haschich? Das waren alles Spaßdrogen. Wir sind süchtig aus Vernunft!" Die Vernunft hat auch diesmal einen Namen: Bibi Fellner (Adele Neuhauser). Sie hält Eisner immer wieder den Spiegel vor und bringt ihn selbst in der Verzweiflung noch zum Lachen.

Was gefällt?

Der Plot ist spannend und trifft ein aktuelles Problem unserer Gesellschaft auf den Punkt. Aaron Karl ist als David Frank ein faszinierender Täter: charismatisch und beängstigend zielstrebig. In vielem, was er kritisiert, muss man ihm recht geben - auch wenn der Weg, der er wählt, um Aufmerksamkeit zu erregen, der falsche ist. Sehr nett, dass Eisner und Fellner auch diesmal die eine oder andere humorige Petitesse von sich geben können. Der Konflikt, den der Kommissar mit dem hinzugezogenen Verfassungschützer Gerold Schubert (Dominik Warta), seinem Vorgesetzten und der zuständigen Ministerin austrägt, ist von geschliffener Rhetorik. Für Eisner ist Schubert jedenfalls "ein Korinthenkacker". Kaum hebt der an, in verschwurbeltem Rechtssprech seine Position zu erklären, legt Eisner los: "Der kackt gerade wieder. Ganz kleine, winzige, steinharte Korinthen mit intarsierten Paragrafenzeichen." Sehr amüsant!

Wo hakt's?

Das mit der Verstrickung vom Freund von der Tochter ist dann doch eine Schlenker zu viel: Es reicht, dass Eisner ein Problem mit Kerems Abstammung hat. Aber um die Studenden-nehmen-Drogen-um-zu-performen-und-sind-trotzdem-gute-Menschen-Theorie zu untermauern war ein Töchterchen, das sich nichts dabei denkt, wenn der Freund sackerlweise die Aufputschmittel im Schrank hat, eben ganz praktisch.

Und: Was ist eigentlich ein "Korinthenkacker"?

Laut Wikipedia: "Der Korinthenkacker will die Dinge bis ins kleinste Detail beschreiben und regeln. Seine betont kleinlichen Darstellungen und Sichtweisen können dabei durchaus richtig sein, aber seine Pedanterie wirkt dabei oftmals rechthaberisch."

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