TV-Kritik

"Tatort" Luzern: Rachegrüße aus Grosny

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TatortDaniel Winkler
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In "Kriegssplitter" führt ein toter Journalist führt das Ermittlerduo Reto Flückiger und Liz Ritschard auf die Spur eines mutmaßlichen Kriegsverbrechers. Der Fall lebt vom Zweifel.

Unsere Wertung für diesen "Tatort"

6 von 10 Punkten

Worum geht's in "Kriegssplitter"?

Während Kommissar Reto Flückiger mit seiner Geliebten am Balkon eines Hotelzimmers steht, fällt ein Mann aus einem Stockwerk über ihnen auf ein Auto. Bald stellt sich heraus, dass der Journalist nicht freiwillig in den Tod gesprungen ist. Er hat über die Gräuel der Tschetschenienkriege recherchiert und war sich zuletzt sicher gewesen, einen als Kriegsverbrecher gesuchten Tschetschenen ausfindig gemacht zu haben, der unter falschem Namen in Luzern untergetaucht ist.

Worum geht's noch?

Es geht um ein vom Schicksal getrenntes Geschwisterpaar: Bruder Nurali (Joel Basman) wurde mit fünf Jahren von Schweizern adoptiert und will mit den Konflikten in seiner Heimat nichts mehr zu tun haben. Schwester Nura (Yelena Tronina) blieb in Grosny - und will sich nun rächen: Angeblich hat der untergetauchte Onkel (er ist der vermeintliche Kriegsverbrecher, den hier alle suchen - allen voran die Russen) ihre Mutter zu einem Selbstmordattentat gezwungen. Die Wunden des Krieges sind noch lange nicht verheilt - wer aber Auge um Auge vergilt, wird blind. Auch für die Wahrheit.

Wer ermittelt?

Bei Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) hat man immer ein wenig das Gefühl, als hätten sie ein Beruhigungsmittel geschluckt: Die wirken selbst dann noch unaufgeregt, wenn sie einen Verdächtigen nach der Verfolgungsjagd mit gezogener Waffe festsetzen. Vielleicht ist bei ihnen dann der Puls ein bisschen schneller, der Blutdruck sicher nicht.

Was gefällt?

Schwer zu sagen, wer in "Kriegssplitter" die Guten, wer die Bösen sind - eine undurchsichtige Grau-in-Grau-Geschichte, die vom ständigen Zweifel lebt. Er ist hier die treibende Kraft. Basman und Tronina geben ein leidenschaftliches Geschwisterpaar, das die Zerrissenheit einer verlorenen Generation versinnbildlicht.

Wo hakt's?

Die Dialoge von Flückiger und Ritschard sind trocken und uninspiriert. Da kommt kein Fünkchen Emotion rüber - nicht einmal, wenn die beiden ausnahmsweise einmal etwas Privates besprechen. Einzig Gerichtsmedizinerin Corinna (Fabienne Hadorn) darf einen denkwürdigen Sager absondern: Nachdem sie berechnet hat, dass der Tote etwa zwei Sekunden bis zum Aufprall gefallen sein muss, zeigt sich makabre Empathie: "Zwei Sekunden . . .  da kannst du noch mal alles überlegen: Meine Bude im Chaos, shit keine saubere Unterhose . . . und zack!"

Und was hat Flückigers Affäre damit zu tun?

Ja: was? Diese Love-Story mit einer verheirateten Frau, die völlig lieblos nebenher erzählt wird, ist total überflüssig. Dass Flückiger in Liebesdingen kein gutes Händchen hat, hätten wir auch so gewusst - da braucht es nicht erst Ritschards tadelnde Worte: "Jetzt steht das Glück sooo knapp vor deiner Nase und du packst nicht zu. Da bleibt echt nur foltern!" Das sollte wohl originell sein?!? Uuups. Hat nicht geklappt!

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