Die 91. Oscar-Nacht war durchaus abwechslungsreich - auch ohne Moderator. Ein Modell für die Zukunft ist das aber nicht. Auf der Bühne fragte man, ob künftig auch Mikrowellen Filme machen würden.
"We will rock you" - mit diesem Queen-Song, interpretiert von Adam Lambert, begann am Sonntagabend die 91. Oscar-Gala. Beim darauffolgenden "We are the Champions" wippten und sangen die prominenten Gäste brav mit. Angesichts der Tatsache, dass das Queen-Biopic "Bohemian Rhapsody" zu den meistnominierten Filmen der diesjährigen Gala zählte (und letztlich auch tatsächlich die meisten Oscars abräumte), setzten die TV-Macher also auf eine sichere Karte. Mutig sieht aber anders aus.
Gleich darauf stürmte immerhin das Schauspielerinnen-Trio Tina Fey, Amy Poehler und Maya Rudolph auf die Bühne. Sie betonten: "Wir sind nicht Ihre Gastgeber." Eine Anspielung auf die Tatsache, dass die Oscar-Gala erstmals seit über 30 Jahren ohne Präsentator auskommen musste. Komiker Kevin Hart, der diesen Job eigentlich machen sollte, hatte sich wegen früherer homophober Äußerungen zurückgezogen. Also sprangen Fey, Poehler und Rudolph zu Beginn in die Presche und holten kurz zu einem bissigen Rundumschlag aus. Auch ein obligatorischer Seitenhieb auf US-Präsident Donald Trump durfte nicht fehlen. Dann thematisierten sie im Zusammenhang mit dem über den Streamingdienst Netflix abrufbaren Film "Roma" die sich im Umbruch befindliche Filmbranche. "Was passiert als nächstes?", wollte das Trio wissen. "Macht meine Mikrowelle einen Film?"
Dass den Präsentatoren der jeweiligen Preis-Kategorien in Absenz eines Gastgebers heuer eine größere Rolle als üblich zukam, machte der Auftritt von Melissa McCarthy, die für ihre Leistung in "Can You Ever Forgive Me?" als beste Hauptdarstellerin nominiert war, deutlich. Sie präsentierte den Preis für das beste Kostümdesign. In ihrem Kleid hingen unzählige Stoffhasen - eine Anspielung auf Queen Anne im nominierten Historiendrama "The Favourite". Mit stoischer Mine und sehr zum Spaß des Publikums verkündete sie, dass es beim Kostümdesign auch wesentlich darum gehe nicht von der Geschichte abzulenken. Achtung Ironie!
Erstmals sollten bekanntlich in vier Kategorien (Kamera, Schnitt, Live-Action-Kurzfilm und Make-Up und Haarstyling) die Trophäen nicht live, sondern während Werbepausen vergeben werden. Das Ziel: die Straffung der Gala. Doch namhafte Regisseure lehnten sich auf, auch "Roma"-Regisseur Alfonso Cuarón hatte vehement protestiert. Letztlich mit Erfolg. So wurde der Mexikaner dabei übertragen, wie er den Oscar für die beste Kamera abholte.
"Film über die Menstruation gewinnt gerade einen Oscar!"
Den ergreifendsten Moment neben der emotionalen Rede von Oscar-Gewinnerin Olivia Colman lieferten die Macherinnen des Dokumentar-Kurzfilms "Period. End of Sentence" (übrigens ebenfalls eine Netflix-Produktion). "Ich weine nicht weil ich die Periode habe. Ich weine, weil gerade ein Film über die Menstruation den Oscar gewonnen hat", sagte eine der beiden. In dem Film geht es um die in Indien tabuisierte Monatsblutung, er wurde als bester Dokumentar-Kurzfilm ausgezeichnet.
"Frauen und Migranten bringen die Welt voran", sagte auch der Mexikaner Diego Luna im Zuge der Kurzvorstellung des nominierten Films "Roma". Der als bester Hauptdarsteller ausgezeichnete Rami Malek nahm ebenfalls Bezug zum Thema Migration: Mit "Bohemian Rhapsody" würde auch die Geschichte eines schwulen Migranten gefeiert.
Und Regisseur Spike Lee, der den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch erhielt, holte zu einer Würdigung seiner schwarzen Vorfahren, die vor 400 Jahren aus Mutter Afrika entführt worden seien, aus. Seine Großmutter sei noch eine Tochter von Sklaven gewesen. Am Ende seiner Rede erinnerte er daran, dass 2020 wieder Präsidentenwahlen in den USA anstehen würden. "Trefft die moralische Wahl zwischen Hass und Liebe", lautete seine Botschaft. Übrigens hinderten ihn seine ernsten Botschaften nicht daran, auf der Bühne herumzuhüpfen und seiner Freude freien Lauf zu lassen.
Flapsige Witzchen wären äußerst unpassend gewesen bei der diesjährigen Gala. Eventuell hätte Kenin Hart die Aussagen der Preisträger konterkariert.
Heuer auf einen Gastgeber ohne Fingerspitzengefühl zu verzichten war wohl nicht die schlechteste Entscheidung. Dass damit die Einschaltquoten-Kellerfahrt gestoppt werden kann, muss allerdings bezweifelt werden. Generell eine Oscar-Gala ganz ohne Gastgeber? Ehrlich, das kann Hollywood doch bestimmt besser.
P.S. Der Oscar für den besten Film ging an das Rassismus-Roadmovie "Green Book". Warum der Film zum Thema diverser Kontroversen wurde, lesen Sie hier >>>