„Vom Neonazi zum Sportminister“ - die Aussage, die vor einigen Wochen in der TVthek noch überblendet wurde, ertönt jetzt ganz „Biep"-frei. Bemerkenswert, eigentlich.
„Vom Neonazi zum Sportminister und zurück!“ Dieser Satz, der Dienstagabend in „Willkommen Österreich“ fiel, kommt auch in der ORF-TVthek ganz ohne „Biep“ aus. Offenbar sind die rechtlichen Bedenken, die den ORF noch im April veranlasst hatten, eine fast wortgleiche Passage aus einem Satire-Beitrag von Maschek zu überblenden, mittlerweile ausgeräumt. Was bemerkenswert ist: Hat doch das Ibiza-Video, das zum Rücktritt des Sportministers und Vizekanzlers Strache geführt hat, zwar viele Kommentatoren und Politiker zu einer Neubewertung der politischen Tauglichkeit Straches motiviert, aber eigentlich nichts an der Bewertungsgrundlage geändert, ob eine Bezeichnung Straches als Ex-Neonazi zulässig ist. Beziehungsweise am „Tatsachensubstrat“, mit dem Maschek-Sprecher Peter Hörmanseder seinen Sager gerechtfertigt hatte.
In „Willkommen Österreich“ darf das N-Wort nun also wieder ausgesprochen werden. Gottfried Küssel sei „ein großer Mann, muss man sagen. Er hat Heinz-Christian Strache angeboten, er kann in seinen alten Job als Neonazi zurückkehren“, sagte Stermann in der Sendung, die sich diesmal natürlich ganz um die aktuellen Ereignisse drehte. Auch wenn mancher Gag gar müde daherkam, der Grundton war ausgelassen bis feixend. Da wurden etwa die „Opfer" der Affäre bedauert, zum Beispiel Norbert Hofers Tochter, die den L17-Führerschein jetzt mit ihrer Mutter machen muss, wie Hofer bei seiner Rede am Montag verkündet hat, oder Kanzler Kurz: Wie soll der auch „geahnt haben, dass sein Koalitionspartner in Wirklichkeit unseriös, machtgeil, rechtsradikal und unsauber ist? Ich meine, wir sprechen von der FPÖ - das konnte niemand wissen!"
Hier wird der ORF „zack, zack, zack“ übernommen
Grissemann betonte auch, dass ihn die „moralische Verkommenheit“ Straches nicht überrascht habe - wohl aber die „modische Verkommenheit“. Im „billigen, verschwitzten 3-Euro-T-Shirt“ tauche man doch nicht zum Champagner-Dinner bei einer Oligarchennichte auf! Aufmerksamen Sehern dürfte schon da die Kleiderwahl Grissemanns aufgefallen sein, der den Ausschnitt seines ausgeleierten V-Neck-Shirts im Lauf der Sendung bis über die Brustwarzen-Linie strapazierte. Auf den Hinweis eines Mitarbeiters ("Sie ist da!") folgte eine Persiflage des Ibiza-Videos, in dem Grissemann als rauchender Strache und Stermann als die Finger zur Waffe formender Gudenus eine nicht im Bild sichtbare Oligarchennichte ermutigten, den ORF zu übernehmen. Zack, zack, zack, und „der Schalko bekommt keine Aufträge mehr“, auch Settele, Wolf und Barbara Karlich würden abserviert, das Geld ginge natürlich „an der GIS vorbei“.
Was in Ibiza passiert sei, das hätte kein Satiriker erfinden können, hat man oft gehört. In „Willkommen Österreich“ hat es auch kein Satiriker mehr toppen können.
Maschek: „Diese Warnungen hab ich nicht gehört!"
Maschek ließen es überraschend brav angehen und widmeten sich dem Auftritt Van der Bellens, der sich hier vor gespannten Journalisten in naivem Smalltalk übt ("Ibiza, Ibiza ist schön. Übrigens, apropos, haben Sie das Video gesehen, hat das jemand gesehen?"), bevor Kanzler Kurz gesteht, die ganze Nacht geweint zu haben ("Diese Warnungen von Ihnen hab ich nicht gehört, weil ich zu jung war noch"). Strache ärgert sich bei Vodka-Red-Bull, sich jetzt eine Arbeit suchen zu müssen, während „Joschi“ Gudenus unter Zuhilfenahme ausladender Gestik erklärt, dass er einen neuen, bisher unbekannten Neffen gefunden habe.
Wehrschütz will ganzes Ibiza-Video sehen
Als Gast war ORF-Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz eingeladen. Spannend angesichts der Nachrichtenlage: Ex-FPÖ-Mitglied, von der Ukraine bis vor einigen Wochen noch mit einem Einreiseverbot belegt, das - womöglich auch auf politischen Druck - wieder aufgehoben wurde. Ob er die zwei Flaschen Wodka (ohne Red Bull) sowieso in die Sendung mitgebracht hätte? Die eine war am Ende jedenfalls deutlich leichter. Wehrschütz forderte zwischen Plaudereien über ukrainische Suppen und seine Pyjama-Farbe, dass das ganze Ibiza-Video ins Netz gestellt werde, damit die Öffentlichkeit „nicht nur zizerlweise“ Informationen bekomme. Auch verdiene die Öffentlichkeit Aufklärung darüber, wer dahinter steckt. Danach war ein auffälliger Schnitt im Interview, Grissemann fragte abrupt etwas ganz anderes. Eine dramaturgische Entscheidung?
Zu seiner Meinung zur FPÖ befragt, hielt sich Balkan-Experte Wehrschütz elegant raus: „Für den Nordbalkan bin ich nicht zuständig."