Es wird viel geplappert auf Ö1

Die neue Senderchefin hat viel vor – und einiges falsch gemacht.

Sie wissen nicht, wie es auf dem Mädchenklo des Gymnasiums Rahlgasse zugeht? Ich weiß es. Ich höre „Leporello“, Montag bis Freitag täglich um etwa sieben Minuten vor den Acht-Uhr-Nachrichten. Menschen, Moden, Lebenskunst: Vor nicht allzu langer Zeit bin ich als passionierter Ö1-Hörer auch über das bewusste WC informiert worden.

Ö1-Hörer? Eine Berufsbezeichnung neuerdings. Um 6.45 Uhr habe ich sie bei den „Gedanken zum Tag“ vernommen. „Studentin und Ö1-Hörerin“ hieß es über ein Mädchen (soll ich sagen: Mäderl?), das drei Minuten lang geplappert hat. In der Tat: geplappert. Man hat nicht begriffen, was sie sagen wollte. Ihre Gedanken waren zu wirr.

Es wird neuerdings viel geplappert im Radio. Auch auf Ö1, diesem Kultursender. Ich liebe ihn. Soll ich sagen: Ich habe ihn geliebt? Alfons Treiber, der in Pension ging, ist durch Bettina Roither ersetzt worden. Sie ist die neue Chefin, gewiss ambitioniert und in anderen Positionen (aber welchen?) bewährt, weil sie sonst nicht diesen Job bekommen hätte. Und sie hat, wie in solchen Fällen üblich, als neuer Besen alten Mist hinausgekehrt – oder was sie für Mist hielt. Ich bin auf den Erfolg des Reinemachens gespannt. Vielleicht kann man Wissensmängel eliminieren. Jüngst ist Slowenien mit Serbien verwechselt worden. Ist eh wurscht: Die Leute kennen sich ohnehin nicht aus. Auch die Ö1-Hörer?

Jetzt soll nicht der Mai, sondern der Juni alles neu machen. Nicht zuletzt das Sonntagprogramm. Eine der besten Sendungen hat Roither bereits gekillt. „Patina“ gibt es nicht mehr. Roland Knie, der die Sendung seit Anfang hervorragend gestaltet und gesprochen hat, ist in Pension gegangen. Nicht gegangen: Er ist geschickt worden. Er hätte, wie ich höre, gerne weitergemacht. Aber „Patina“ klingt offenbar zu sehr nach Gestern. Wir aber wollen, da wir im Heute leben, lieber über das Morgen hören.

Es wäre billig, sich nach dem alten Ausspruch zu richten, wonach die Zukunft auch nicht mehr ist, was sie einmal war. Aber für Sie, liebe Kollegin Roither, müsste sie eigentlich noch einiges in petto haben. Sie wollen doch nicht, dass ich noch mehr, als ich es ohnehin schon tue, Radio Stephansdom höre!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2011)

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