Philharmoniker: Endlich einmal Semyon Bychkov

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Manche Dirigenten bieten stets exzellente Leistungen, werden aber trotzdem selten eingeladen. Semyon Bychkov wurde soeben 60.

Wagners „Tannhäuser“-Ouvertüre am Beginn des jüngsten philharmonischen Abonnementkonzerts gab die Richtung vor: warmer, edel timbrierter Klang, klare, rhythmisch prägnante Diktion in allen Linien des musikalischen Geflechts, ausgewogene, fein differenzierte Dynamik – und ein untrügliches Bewusstsein dafür, wie man diese Qualitäten innerhalb eines weit gewölbten Spannungsbogens dramaturgisch sinnvoll nutzen kann.

Das kann Semyon Bychkov, der Mann aus St. Petersburg, der soeben 60 wurde und den Herbert von Karajan einst als möglichen Kandidaten für seine Nachfolge in Berlin nannte. Solchen Vorschusslorbeeren zum Trotz ist Bychkov allüberall nur ein Gast geblieben, gern gesehen zwar, aber selten eingeladen. Obwohl Konzerte wie Opernaufführungen unter seiner Stabführung – in Wien erinnert man sich an musikalisch exquisite Aufführungen von „Lohengrin“, „Elektra“ oder „Daphne“ – immer von allererster Güte sind.

Weicher, edler Mozart-Klang

Auch diesmal dürfte sich kein Philharmoniker-Freund im Saal gefunden haben, der nicht dafür votierte, Bychkov öfter am sonntagvormittäglichen Dirigentenpult zu sehen. Schon die geradezu retrospektiv-nostalgische stilistische Gangart, die man im Zentrum des Vormittags für Mozarts Doppelkonzert KV365 wählte, böte Grund für eine Dauerverpflichtung: Endlich wieder Anleihen beim lang verschütteten, weichen, edel timbrierten Mozart-Klang, wie man ihn früher einmal ganz selbstverständlich als „philharmonisch“ bezeichnet hätte. Katia und Marielle Labeque fügten sich wunderbar als Solistinnen drein – und demonstrierten, dass Schönklang und rhetorisch brillante, lebendigste Klangrede einander nicht widersprechen.

Tschaikowskys Fünfte dann als krönender Abschluss – was haben sich die Philharmoniker nicht missbrauchen lassen in den vergangenen Jahren, um gerade in diesem Repertoire jegliches Klangbewusstsein auf dem Altar des heiligen Fortissimos zu opfern. Plötzlich tönt es wieder kultiviert und weich, werden Melodien sensibel modelliert, bleibt das Klangbild durchhörbar; womit auch dort, wo dreifaches Forte gefordert – und geliefert – wird, höchster Ausdruck, nicht Brachialgewalt herrschen kann. Wahrhaft philharmonisch auch das. sin

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2012)

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