Festival in Erl: Gustav Kuhns zweites Opernhaus

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Das Passionsspielhaus bekam eine kleinere Schwester: Ab sofort hat man in einem zweiten Opern- und Konzertgebäude auch für Mozart, Bach und Händel im 1500-Seelen-Dorf nahe Kufstein den passenden Rahmen.

Es ist vollbracht. Gustav Kuhn, Intendant, Dirigent, Regisseur und Spiritus Rector der Tiroler Festspiele Erl hat sein zweites Festspielhaus bekommen. Das Interesse war groß – trotz des zweiten Weihnachtsfeiertags war viel Prominenz gekommen, um zu sehen, wohin das Festival, das sich durch Wagner-Aufführungen und einen „Ring des Nibelungen in 24 Stunden“ einen Namen in der Opernwelt gemacht hat, in Zukunft gehen wird.

„Verrücktheit“ attestierte Bauherr, Gönner und Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner in seiner Eröffnungsrede nicht nur Kuhn, sondern auch allen Anwesenden. „Die höchste Form des Glücks ist ein Leben mit einem gewissen Grad an Verrücktheit“, zitierte er Erasmus von Rotterdam und wandte den Spruch auf sein künstlerisches Alter Ego Kuhn an: „Jeder, der mit ihm in Berührung kommt, ist sein Opfer.“

Zwei Opernhäuser in einem Dorf

Manch einer fragte sich wohl, ob es nicht waghalsiger sei, in einem 1500-Seelen-Dorf nahe Kufstein, das ein Passionsspielhaus mit 1500 Plätzen hat, das seit 1998 in den passionsspielfreien Jahren mit Wagner-Opern bespielt wird, noch ein zweites Opern- und Konzertgebäude zu errichten. In diesem kann nun im Gegensatz zum alten Haus auch im Winter gespielt werden, zudem wurden Proberäume, Garderoben und Werkstätten geschaffen – und ein Prestigeprojekt sondergleichen, in dem Kuhn noch mehr als zuvor seine künstlerischen Anliegen, Oper von der Musik ausgehend zu präsentieren sowie junge Talente vorzustellen, umsetzen möchte.

Den Großteil der mit rund 36 Millionen Euro bezifferten Kosten des Baus trägt Haselsteiner, der auch die Bespielung finanzieren wird. Zum Dank wurde ihm im Zuge der Eröffnung das Ehrenzeichen des Landes Tirol verliehen. Bund und Land übernahmen je acht Millionen Euro Baukosten.

Geplant hat das neue Haus Delugan Meissl. Der futuristische Bau, für den rund 110.000 Tonnen Fels abgetragen wurden, fügt sich homogen in die Berglandschaft, formt diese auch in manchen Elementen nach und ist in seiner Kombination aus Ästhetik und Funktionalität beeindruckend. Zur „klugen Auseinandersetzung mit der Umgebung“ gratulierte Bundespräsident Heinz Fischer in seiner Eröffnungsrede. „Ich kann mich nicht erinnern, dass ein Festspielbau mit einer solchen Geradlinigkeit und Zielsicherheit verwirklicht wurde. Das Herzblut, das hier investiert wurde, ist etwas Einmaliges.“

Das neu eröffnete Haus kann Kuhn nun ganzjährig bespielen. Der im Vergleich zum Passionsspielhaus kleinere Zuschauerraum eignet sich besser für Werke von Mozart, Bach oder Händel. Doch wird der Orchestergraben der größte der Welt genannt.

Ein rundes Bild all dessen, was im Festspielhaus werden soll, gab der Eröffnungsabend: Instrumentales, konzertante und szenische Oper („Herzog Blaubarts Burg“), Belcanto ebenso wie Modernes und Zeitgenössisches, darunter Uraufführungen von Daniel Schnyder und von „Angelo di Montegral“, dem „Geist“ von Kuhns italienischem Konvent, hinter dem wohl Kuhn selbst stecken dürfte.

Dirigentenschüler Kuhns und junge Sänger aus seiner Accademia di Montegral durften Talentproben abgeben – auffällig die Sopranistin Anna Princeva und die Darstellerin der Judith in „Blaubarts Burg“, Marianna Szivkova. Die Inszenierung des Bartók-Einakters hatte Kuhn selbst besorgt, spartanisch und statisch wie gewohnt, mit leicht bekleideten und hochhackig beschuhten Damen auf der Bühne. Hatte Haselsteiner vorab gelobt, dass Kuhns Inszenierungen auf Obszönitäten verzichteten, sexistisch war diese allemal, unaufregend jedenfalls.

Star des Abends: Die Akustik

Der wahre Star des Abends (und das Zukunftspotenzial des Festspielhauses Hauses) war und ist die Akustik. Kuhn konnte sie mit einer kleinen unverstärkten Rede „mit unglaublichem Stolz und voller Freude“ ausprobieren. Bis auf den letzten Platz des steilen Zuschauerraums hört man jeden Ton klar. Architekten und Akustikern ist ein Wunderwerk gelungen, das in den kommenden Tagen an Mozart (ein ungekürzter „Figaro“ in Kuhns Regie hatte gestern, Donnerstag, Premiere), Verdi, Bach und Rossini erprobt wird. Im Sommer des Wagner-Jahres 2013 wird  ausgerechnet dort, wo „aus Bayreuth flüchtende Wagnerianer“ (Haselsteiner) ihre Heimat gefunden haben, kein Wagner gespielt, sondern Verdi und Beethoven.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.12.2012)

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