Musical: "Ein Flop kann auch in New York vorkommen!"

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Intendant Christian Struppeck über die Probleme mit "Rebecca" am Broadway. Musicals der Vereinigten Bühnen Wien werden derzeit in 18 Ländern gespielt. Ab 21.Februar 2013 kommt "Natürlich blond" ins Ronacher.

Die Presse: Die Subventionen für Musicals werden oft kritisiert, weil dieses Genre anderswo privatwirtschaftlich funktioniert. Zuletzt gab es Debatten wegen „Rebecca“ am Broadway, der die Financiers abhandenkamen. Die Vereinigten Bühnen Wien (VBW) investierten 380.000 Euro in die Ausstattung. Wie geht es weiter?

Christian Struppeck: Es wird nach Produzenten gesucht. Unser Investment ist durch die Ausstattung – Set und Kostüme – abgesichert, die wir dann an andere Lizenznehmer weitervermieten können, wie das derzeit etwa mit der Ausstattung unserer Wiener Produktion passiert: Das Set ist in Deutschland, die Kostüme sind in St.Gallen.

Wie konnte dieser Flop überhaupt passieren?

Die Financiers des Mittelsmannes, auf den sich der New Yorker „Rebecca“-Produzent Ben Sprecher verlassen hat, existierten nicht. In Amerika werden Stücke so produziert, dass viele Finanziers zusammenlegen. Es gab E-Mail-Adressen, Verträge. Dass das nicht hält, konnte man nicht durchschauen.

Der internationale Konzern Stage Entertainment betreibt Musicals in deutschen Städten und bekommt keine Subventionen. Wie ist das möglich?

Die Stage Entertainment spielt nicht wie wir in historischen Theatern, die mehr Unterhalt, Reparaturen etc. fordern. Stage spielt in größeren Häusern, was wirtschaftlicher ist. Die Tickets sind viel teurer. Stage hat kein eigenes Orchester bzw. es wird teilweise in Kleinstbesetzungen gespielt. Das ist unser großer Vorteil in Wien: Das eigene Orchester.

Stage Entertainment baut sogar ein neues Musical-Theater in Hamburg.

Man muss den ganzen Konzern sehen, der weltweit agiert. Nicht jedes Stück trägt oder wirft Gewinne ab. Im Konzern mit 30 Theatern kann man das ausgleichen. Diese Idee, dass man ein Musical auf die Bühne bringt, schon sprudeln die Gewinne, das ist auch bei unseren Mitbewerbern nicht der Fall.

Die Musicals der VBW sind im Verbund mit der Oper, bei der es außer Diskussion steht, dass sie öffentlich finanziert wird. Ist das ein Problem?

Natürlich sieht das Subventionsmodell für Oper anders aus als für Musical. Das Musical hat mit rund 65Prozent eine sehr hohe Eigendeckungsrate, was oft vergessen wird. Die Qualität ist in beiden Genres erstklassig. Wir schaffen einiges mit dem, was wir bekommen, und es gab ja auch Kürzungen.

Im Musical-Business geht es zu wie in Hollywood, oder? Shareholder-Value ist wichtig, also werden Stoffe immer wieder recycelt, weil Neuentwicklungen teuer sind. Die VBW zeigen ab 21.Februar die Musicalfassung des Films „Natürlich blond“.

„Natürlich Blond“ ist kein alter Stoff, sondern recht modern. Der Film ist von 2001, auf die Musicalbühne kam das Stück 2007. Es ist hip und am Puls der Zeit. Auch „Sister Act“ basiert auf einem Film. Musicals haben fast immer Vorlagen. „My Fair Lady“ basiert auf „Pygmalion“. Ich finde das nicht verwerflich. Richtig ist, dass es teuer ist und vor allem Zeit braucht, neue Stoffe zu entwickeln. Aber wir machen auch Eigenproduktionen. Wir kaufen nicht nur Lizenzprodukte ein, sondern wir vergeben selbst Lizenzen.

Eine Schiene der VBW-Eigenproduktionen sind Wiener Mythen: Elisabeth, Rudolf, Freud, Mozart. Sind auf diesem Gebiet Projekte in Planung?

Stoffe, die in Wien verankert sind und internationalen Appeal haben, sind ideal, um nicht nur in Wien, sondern auch im Export erfolgreich zu sein. Das muss man weiterführen. Derzeit werden Stücke der VBW in 18 Ländern nachgespielt. „Rudolf“ läuft in Korea und Tokio. Wir arbeiten an weiteren Produktionen mit Österreich- oder Wien-Bezug, aber ich möchte da noch nichts verraten. Ich bin jetzt neun Monate hier. Ich sichte Ideen und Entwicklungen.

Gibt es neue Komponisten, die so erfolgreich sind wie Andrew Lloyd Webber?

Webber ist ein Jahrhundertkomponist, aber auch Sylvester Levay wird weltweit und erfolgreich gespielt, auch Frank Wildhorn, der „Jekyll and Hyde“ und „Rudolf“ komponiert hat, spielt in dieser Liga.

„Rudolf“ lief nicht so toll in Wien.

Das kommt auch in New York vor. Stücke sind nicht überall gleich erfolgreich. Trotzdem ist Wildhorn einer der ganz großen Namen. Ein weiterer ist Alan Menken, der „Sister Act“ komponiert hat und acht Oscars für seine Arbeit an Disney-Filmen gewann, darunter „Arielle“, „Aladdin“, „Pocahontas“.

Die Musical-Musik ist nicht mehr so melodienreich wie zu den Zeiten von Rodgers und Hammerstein, Cole Porter, Gershwin.

Bei jedem neuen Stück wird geschrieben, dass keine Ohrwürmer drin sind. Das war schon zu Zeiten der Klassiker so, die heute für ihre Melodien gelobt werden. Auch bei der Uraufführung von „Kiss me, Kate“ 1948 hieß es: Da gibt es ja nichts zum Mitsingen!

Sehen Sie Trends?

Die Vorlieben wechseln im Rhythmus von zehn bis 15 Jahren. Derzeit gibt es einen Trend zu Komödien und Unterhaltung. Musicals waren ja Musical Comedies, musikalische Komödien. In den Achtzigern kamen die großen Dramen. Diesen Trend gab es schon in den Vierziger- und Fünfzigerjahren, als „Oklahoma“, „South Pacific“ oder „Sound of Music“ von Rodgers und Hammerstein herauskamen. Komödien sind nicht automatisch platt und seicht, auch sie müssen eine packende Geschichte erzählen.

Hat es Ihnen schon einmal leidgetan, den Job in Wien angenommen zu haben?

Um Gottes willen, nein! Es ist toll, ich habe ein gutes Gefühl, dass ich meine Visionen umsetzen kann. Ich habe auch Lust dazu.

Auf einen Blick

Christian Struppeck, 1968 in Berlin geboren, ist seit 1.Mai 2012 Musical-Intendant bei den Vereinigten Bühnen Wien. Deren Subvention beträgt rund 36,3 Mio. Euro, davon sind 21,6 Mio. Euro für die Oper im Theater an der Wien, 10,3 Mio. Euro fürs Musical (Ronacher, Raimundtheater), 4,4 Mio. Euro für das VBW-Orchester. Struppeck, ausgebildeter Tänzer und Sänger, hatte eine Firma für Musical-Entwicklung, davor betreute er 23 Großproduktionen beim Stage-Entertainment-Konzern. [Katharina Roßboth]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2013)

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