Thomas Maurer: Kabarett, das die Welt rettet

In China war er schon (2009, in seinem Programm „?odìlì“), nun verschlägt es ihn nach Amerika: Thomas Maurer, Jahrgang 1967, hat für sein „Neues Programm“ etliches studiert.
In China war er schon (2009, in seinem Programm „?odìlì“), nun verschlägt es ihn nach Amerika: Thomas Maurer, Jahrgang 1967, hat für sein „Neues Programm“ etliches studiert.(c) Clemens Fabry
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Thomas Maurers neues Programm heißt „Neues Programm“. Es ist schlicht sensationell: politisches Kabarett ohne altväterlichen Gestus.

Explizit politisches Kabarett ist eine ziemlich peinliche Übung geworden: Das befanden Ende der Achtzigerjahre damals junge Kabarettisten – allen voran Josef Hader – und wandten sich offensiv dem Privaten zu, der mehr oder weniger verschrobenen Person des Kabarettisten, an der sich die Welt spiegelt. Da war anfangs toll, mittlerweile ist es längst fad geworden, eine ziemlich peinliche Übung: Sie nerven, die alten und jungen Schmähführer, die glauben, dass jede ihrer Schrullen ohne Bearbeitung bühnentauglich ist. Dass es reicht, mit hektischer Stimme zu erzählen, dass man sich nicht g'scheit vorbereitet hat, und alle lachen brav.

Thomas Maurer glaubt das nicht. Aber er tut, als ob er's glaubte – in der ersten Hälfte seines neuen Programms, das „Neues Programm“ heißt und sich erst allmählich als gigantische Konstruktion herausstellt, als das Monster, das es ist.

Rambo und die Taliban

Es beginnt recht harmlos mit einer Beschwörung der Linken, mit einer Evokation der Zeit, als es diese noch gab und nicht nur „Linkslinke“ wie Armin Wolf, Werner Faymann und Eva Glawischnig, die Maurer recht uncharmant als „Klassensprecherexistenz“ bezeichnet. Dann geht's um Political Correctness: Virtuos spielt Maurer die wilde Lust, just nicht politisch korrekt sein, um den angeblichen Mainstream zu provozieren. Er selbst freut sich ungebärdig über das kräftige, im Feuilleton der „Presse“ beharrlich nicht ausgeschriebene Wort „f**k“, mit dem seine amerikanischen Kollegen ihre Pointenpausen überbrücken können. Im selben Plauderton kommt er auf Hollywood-Blockbuster: auf „Rambo 3“, wo die Taliban noch die Guten sind, die auf edlen Araberhengsten gegen die Sowjets reiten; auf „Salt“ (2010, mit Angelina Jolie), wo die Russen anachronistisch als Bedrohung wiederkehren. Hier denkt man sich schon: ganz feines politisches Kabarett, aber . . .

Aber! Die erste Glanznummer ist eine Nacherzählung der Subprime-Krise in den USA, so kabarettistisch wie nötig, so realitätsnahe wie möglich: Man spürt die penible Recherche, die Gedankenarbeit dahinter, und man spürt sie doch nicht, so zwingend schildert Maurer den schwindligen Weg der Kredite als „Burenwurstkreislauf“, so geschickt findet er etwa für Richard Fuld, den reulosen „Gorilla der Wall Street“, ausgesucht unfreundliche Worte, ohne unreflektiert entrüstet zu wirken.

All das überzeugt für sich, und dabei ist es nebstbei eine Sammlung der Leitmotive, die sich im zweiten Teil des Programms zu einem durch monströse Soundeffekte, gewaltige Dialoge („F**k!“) und präzise Lichtregie katalysierten Showdown ballen, der seinesgleichen sucht. Maurer, der inzwischen mit einem – auch schon vor der Pause eingeführten – alten Freak-Freund in den USA ist, lässt sich (von der Bankenkrise übrig gebliebenes) Kokain aufschwatzen, worauf er mit weiten Augen in eine B-Film-Ekstase verfällt, die, nach einem Abstecher zur Schnalle des Bibelgürtels (Tulsa, Oklahoma), im Monument Valley gipfelt, wie könnte es anders sein in B-Film-Amerika.

Nährvater Josef und Angelina Jolie

Dort wird endlich die Weltwirtschaft und die gesamte Welt gerettet, unter anderem, so viel darf verraten werden, unter Einsatz des Bausparvertrags des Nährvaters Josef und der Silikonimplantate von Angelina Jolie. Das letzte Wort hat der alte Neil Young: „Keep on rockin' in the free world“, alles ist gut. Jubel. Fazit gefällig? Wer, etwa angesichts des neuen Programms von Andreas Vitásek, schon damit kokettiert hat, das gesamte Genre abzuschreiben, darf jetzt sagen: Ja, man kann noch Kabarett machen, auch politisches Kabarett. Man muss nur so scharf denken und spielen können wie Thomas Maurer. Und, natürlich, genug Action-Filme anschauen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2013)

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