Burgtheater: Kulturminister enthebt Hartmann des Amtes

Matthias Hartmann Burgtheater Direktor  DIE BURG - SPIELZEIT 2010/11´: MATTHIAS HARTMANN
Matthias Hartmann Burgtheater Direktor DIE BURG - SPIELZEIT 2010/11´: MATTHIAS HARTMANN(c) APA (HANS KLAUS TECHT)
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Aus dem vorläufigen Abschied wird ein endgültiger: Der Burgtheater-Direktor muss auf Wunsch von Minister Ostermayer gehen. Doch Hartmann will das nicht akzeptieren.

Aus dem gestern angekündigten vorläufigen Rücktritt von Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann wird ein endgültiger Abschied: Kulturminister Josef Ostermayer beruft Hartmann heute als Burgtheaterdirektor ab. Ein Akt, den es in der Geschichte des Hauses am Ring bisher noch nie gegeben hat.

Hartmann will das nicht akzeptieren und kündigt an, Klage gegen die Entlassung einzubringen. Der Burgtheater-Direktor zeigt sich enttäuscht von der kaufmännischen Direktion, der Holding und den Wirtschaftsprüfern. "Da wurde ich offensichtlich völlig im Stich gelassen und muss dafür jetzt büßen", so Hartmann in einer Aussendung. "Nun verlangt man, dass ich mehr weiß als die Controller und die Kaufleute. Das ist für jeden deutschsprachigen Theaterbetrieb absurd."

Die Entscheidung fiel nur wenige Stunden, nachdem der künstlerische Geschäftsführer selbst angeboten hatte, sein Amt bis zur Klärung der Vorwürfe ruhend zu stellen.

Ausschlaggebend für Ostermayers Entscheidung scheinen die ersten Zwischenergebnisse seiner Rechtsanwälte zu sein, die ihm gestern Abend vorgelegt wurden. In dem Rechtsgutachten geht es um die mögliche Mitverantwortung von Hartmann und dem Aufsichtsrat der Bundestheater-Holding an der finanziellen Misere. Offenbar machen die Ergebnisse ein unverzügliches Handeln erforderlich.

Holding-Chef Georg Springer legt Funktionen zurück

PK ZUR AKTUELLEN LAGE DES BURGTHEATERS WIEN: SPRINGER/OSTERMAYER
PK ZUR AKTUELLEN LAGE DES BURGTHEATERS WIEN: SPRINGER/OSTERMAYER(c) APA (HERBERT NEUBAUER)

Auch Bundestheater-Holding-Chef Georg Springer zieht die Konsequenzen aus der Affäre um das Burgtheater-Defizit und die Entlassung von Ex-Geschäftsführerin Silvia Stantejsky: Er wird alle Aufsichtsrats-Funktionen in der Holding zurücklegen.

"Ich glaube, dass es dadurch eine wesentliche Verbesserung für die Zukunft geben kann", sagte Springer am Mittag bei der offiziellen Pressekonferenz mit  Ostermayer. "Die Vorgänge haben mich ebenso überrascht, vielleicht sogar so entsetzt wie sie", so der scheidende Holding-Chef.

Die nun frei gewordenen Stelle im Aufsichtsrat wird durch Othmar Stoss, bisher Prokurist der Bundestheater-Holding, besetzt. Den Vorsitz in den jeweiligen Kontrollgremien soll allerdings nicht Stoss, sondern Christian Strasser, Direktor des Museumsquartiers, übernehmen. Er war schon bisher in allen Aufsichtsräten der Holding-Töchter als Mitglied vertreten.

Ostermayer: "Keine andere Möglichkeit" als Entlassung

"Aufgrund der Fakten und den vorliegenden Rechtsgutachten gab es keine andere Möglichkeit", so Ostermayer. "Hartmann hat seine Sorgfaltspflicht als Geschäftsführer erheblich verletzt. Er hat weder Mängel des Rechnungswesens noch bei der internen Kontrolle behoben. Um weiteren Schaden für die Republik und das Burgtheater abzuwenden, musste dieser Schritt unmittelbar erfolgen."

Wer folgt Hartmann?

Burgtheater-Direktoren seit 1971
Burgtheater-Direktoren seit 1971(c) APA

Wer anstelle von Hartmann die Geschäftsführung der Burg übernimmt, dürfte in der Eile noch nicht geklärt worden sein. Das soll spätestens bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung passieren, die in der nächsten Woche stattfinden wird. In dieser Zeit kann der kaufmännische Geschäftsführer des Burgtheaters, Thomas Königstorfer, keine Rechtshandlungen setzen, die eine Zustimmung beider Geschäftsführer erfordert.

Die Frage, wer Hartmann als Direktor nachfolgt, ist offen. "Der nächste Schritt ist, dass wir versuchen müssen, interimistisch einen künstlerischen Geschäftsführer zu finden - für eine dauerhafte Lösung ist eine Ausschreibung entsprechend des Stellenbesetzungsgesetzes notwendig, die wir auch unverzüglich vornehmen müssen", so Ostermayer. Eine Ausschreibung bedeutet mehr Unvorhersehbares. Für die interimistische Geschäftsführung sind auch interne Lösungen aus dem Haus bzw. aus dem Burgtheater-Ensemble vorstellbar.

Opposition begrüßt Abberufung

Die Oppositionsparteien begrüßten Hartmanns Abberufung, stellen jedoch nun den Bestand der Bundestheater-Holding infrage. Auch ÖVP-Kultursprecherin Maria Fekter betonte: "Das Burgtheater darf - auch in seiner unbestrittenen künstlerischen Qualität - nicht weiter darunter leiden, dass es manche als sprichwörtlichen Selbstbedienungsladen missbraucht haben." Entsprechende Diskussionen sind für den am Donnerstag anberaumten ersten parlamentarischen Kulturausschuss zu erwarten.

Dass der heutige Tag für das Burgtheater ein historischer war, bestätigte Theaterwissenschafterin Hilde Haider: Eine "Entlassung eines Burgtheater-Direktors aufgrund von Misswirtschaft" sei in der beinahe 240-jährigen Geschichte des Hauses erstmalig. "Einen Knall-und-Fall-Rausschmiss eines Direktors in der laufenden Periode von einem Tag zum anderen gab es wirklich noch nie", so Haider.

(hec/Red.)

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