Hartmann stand für Popkultur, Spaß und irre Liebesgeschichten

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Der entlassene Burg-Chef Hartmann wurde nie den Ruf los, ein „Dünnbrettbohrer“ zu sein. Doch hat er auch Verdienste. Er war ein Praktiker, wusste, dass man das Publikum nicht verprellen darf und wie das geht.

Claus Peymann wurde geliebt und gehasst. Nikolaus Bachler geachtet und verachtet, Letzteres vor allem, weil er nicht Peymann war. Was bleibt von Matthias Hartmann? Seinen Platz in der Hall of Fame der Theater-Erneuerer, von Peter Zadek bis Jan Bosse oder Karin Henkel, die für die jüngere Generation Akzente setzen, wird Hartmann vermutlich nicht mehr erreichen. Er gilt als „Dünnbrettbohrer“, dieses Urteil aus Teilen der Branche hat ihn immer am meisten geärgert.

Doch Hartmann war auch ein Praktiker und Könner. Er füllte recht gut das Haus. Er brachte dem Burg-Publikum den Spaß nahe und auch das Spaßtheater, das den Deutschen immer verdächtig ist, und den Österreichern oft, weil sie deutschen Humor in plumper Form nicht leiden können. Aus Bochum und Zürich brachte Hartmann ein paar großartige Inszenierungen mit, z.B. Becketts „Warten auf Godot“, Bernhards „Immanuel Kant“. Die hohen Kosten von Stars werden Hartmann jetzt vorgehalten. Aber das Publikum sieht sie gern, z.B. die wunderbare Sunnyi Melles, Corinna Kirchhoff, Martin Wuttke, Ernst Stötzner, Udo Samel. Einige waren nur kurz da, andere werden den Sparmaßnahmen zum Opfer fallen. Was hat das Theater – außer seinen Schauspielern? Es braucht sie mehr denn je jetzt, da Peymanns Stars altern, junge Leute die Burg nur mehr als feine Fußnote in ihrer Bio abhaken oder gleich zu Film und Fernsehen gehen. Hartmann holzte nicht im Ensemble, er mag willkürlich gehandelt haben, mit diesen oder jenen „konnte er nichts anfangen“, insgesamt aber war er menschlicher als die oft brutalen alten Regietheatergrößen.

Die Burg steht am Scheideweg

In diesen Tagen kommen Theaterleute zu Wort, auch ehemalige Burgtheater-Direktoren, sie prügeln teilweise auf Hartmann ein. Ist da Neid im Spiel? Hartmann verstand es, sich beliebt zu machen, in der Wiener Gesellschaft, auch Liebkind, er freundete sich mit Opinionleadern an. Nach Vorgängern, die in Wien alles und noch mehr fürchterlich fanden, war das eine Labsal. Das ist keine Tugend? Oh doch, das Burgtheater ist die erste deutschsprachige Bühne, finanziell, oft auch künstlerisch. Man muss sie nicht madigmachen, man kann sie auch lieben.

Hartmann hat viele österreichische Klassiker gezeigt. Seine eigene „Lumpazivagabundus“-Inszenierung war amüsant, grotesk, melancholisch und satirisch in genau jener Mischung, die für seinen Regiestil typisch ist. Michael Schachermaiers „Alpenkönig“ soll von Hartmann repariert worden sein, egal, das ist ein toller Raimund gewesen. David Böschs „Talisman“-Inszenierung, geriet zu hyperaktiv, aber auch lustig. Bösch hat auch grandiose „Gespenster“ inszeniert.

Die Popkultur ist in Hartmanns Theater am stärksten sichtbar geworden, spät genug, er verstand sich auf die Musik, auf Videos, Musikvideos, eine wichtige Ästhetik. Er war ein Vermittler zwischen den Generationen. Dass er Schwester und Schwager das Kinder-und Jugendtheater machen lässt, ändert nichts daran, dass seine Jugendoffensive erfolgreich ist. Wenn ihm etwas nicht passte, ihm jemand in die Quere kam, wurde er schnell sauer, arrogant und mürrisch. Bis 2019 wäre er zu saturiert geworden. Er verließ sich gern auf die gleichen Leute, Regisseure, Schauspieler. War seine Kreativität schon verbraucht? Bei den Salzburger Festspielen macht Hartmann heuer noch ein Riesenprojekt: „Die letzten Tage der Menschheit“.

Hartmann war innovativer als viele es wahrhaben wollen: Sein „Faust I“ mit Tobias Moretti als Apple-Zertrümmerer, Leben statt Virtualität, „Faust II“ als Videospiel, „Phädra“, ein tolles Liebesdrama, mit der verqueren Komik großer Liebe kannte Hartmann sich aus, „Fool of Love“ war erfinderisch, „Krieg und Frieden“, ein wuchtiges historisches Panorama. „Die letzten Zeugen“ sind heuer zum Berliner Theatertreffen geladen. Was Theaterfreunde interessiert: Wo kommen die neuen Stücke von Jelinek und Handke heraus? „Es wird hart Mann!“ titelte „Die Presse“, als Hartmann berufen wurde. Es ist härter, als sich irgendjemand vorstellen konnte. Letztlich aber wird hoffentlich Karl Kraus recht behalten: „In Österreich ist öfter schon alles drunter und drüber und schließlich doch ins Burgtheater gegangen.“ (bp)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2014)

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