Volksoper: Violetta hinter dem Schleier

Volksoper, Traviata
Volksoper, Traviata(c) Dimo Dimov / Volksoper Wien
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Die slowenische Sopranistin Bernarda Bobro glänzt in der poetischen „Traviata“-Inszenierung von Hans Gratzer.

Violetta liegt im Sterben. Von Beginn an siecht sie auf einer Chaiselongue im Vordergrund rechts dahin: Als Rückblende erleben wir das Schicksal der Traviata, als schöne und schließlich traumatische Erinnerung, die sich auf der Drehbühne hinter bedeutungsvoll sich öffnenden und wieder schließenden Vorhängen offenbart und in welche die Moribunde als Akteurin wieder einsteigt. Die Vergnügungssucht im Angesicht des Endes wird als choreografierte Commedia-dell'Arte-Truppe auf die Bühne gebracht, die gespenstische Totenkopfmasken trägt – und die ohnehin bleiche Violetta legt Hut und Bluse einer Pierrette an, wenn sie sich zu ihnen schlägt . . .

Noch aus der kurzen, vorzeitig beendeten Ära von Dominique Mentha stammt die einfühlsam-poetische Inszenierung des 2005 verstorbenen Theatermachers Hans Gratzer, und man wünscht ihr über diese gut einstudierte 112. Vorstellung hinaus noch ein langes Bühnenleben. Freilich steht und fällt der Abend mit der Besetzung der schwierigen Titelpartie, die Koloraturgewandtheit ebenso fordert wie dramatischen Aplomb und lyrische Verinnerlichung. Die slowenische Sopranistin Bernarda Bobro, ein früheres Ensemblemitglied der Volksoper, schafft diesen stimmlichen Spagat auf außergewöhnliche Weise. Ganz im Einklang mit Szenerie und Darstellung klang ihre Violetta feingliedrig zart und silbrig glitzernd, doch verfügte sie nicht nur über die nötige Virtuosität und Pianokultur, sondern auch über die unerlässlichen Reserven. Die junge südkoreanische Dirigentin Eun Sun Kim war ihr dabei, trotz etwas rigider Accompagnati, eine einfühlsame, sorgfältige Partnerin am Pult des fast durchwegs tadellos agierenden Orchesters – und brachte auch den alles andere als schleppenden Chor immer wieder auf Linie.

Dass Vater und Sohn Germont im Schlussbild von Violetta durch den Schleier getrennt bleiben, legt nahe, dass ihr Besuch am Totenbett nicht mehr ist als ein Wunschtraum der Sterbenden. Diesmal aber wurde es darüber hinaus zum Abbild der sängerischen Qualität, wobei die beiden Rollendebütanten wohl auch mit leichter Nervosität zu kämpfen hatten: JunHo You erwies sich als verlässlicher, etwas linkischer Alfredo, Günter Haumer als zielstrebiger, aber stimmlich recht knorriger Giorgio. Für Bobro aber lohnt sich der Besuch allemal. (wawe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2014)

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