Kammerspiele: Ein Glück, es war nur Theater!

(c) APA (Moritz Schell)
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Fritz Muliar feiert mit Elfriede Ott sein 70. Bühnenjubiläum – in dem unheimlichen Seniorenstück „Der Panther“ von Felix Mitterer.

Ich bin kein 1923er-, sondern ein 1919er-Jahrgang“, brummt Fritz Muliar, und als seine Partnerin Elfriede Ott auf seine Bemerkung, er bedanke sich bei allen, die ihn ertragen haben, zu lachen wagt, schaut er sie finster an: „Hast du schon eine Büste?“ Die Sache mit der Büste war in der Tat eher peinlich. Kann man einem 87-Jährigen, der scherzt, er hoffe, der älteste Schauspieler von Wien zu werden, nicht irgendetwas anderes als ein gemeinhin Verblichenen vorbehaltenes Denkmal schenken?

Trotzdem war mancher wohl froh über die Feier zum 70-Jahr-Bühnenjubiläum Muliars am Donnerstag in den Wiener Kammerspielen. Josefstadt-Direktor Föttinger fasste witzig und knapp die weitläufige Karriere des Publikumslieblings zusammen. Ministerin Schmied lächelte gewinnend. Wiens Kulturstadtrat Mailath-Pokorny erinnerte sich mit Wärme an Muliars Schwejk.

Zuvor hatte der Jubilar in der Uraufführung von Felix Mitterers „Der Panther“ einen ziemlich gebrechlichen Senior gespielt, der von einer in ihrem Ausmaß nicht leicht durchschaubaren Demenz heimgesucht wird. Als „der Muliar“ dann nach der Premiere so halb kritisch, halb selbstironisch („Ich bin ein eitler Mensch“) bei seiner Ehrung saß, da wusste man: Gott sei Dank. Es war nur Theater, das Theater.

„Der Panther“ nach einem Rilke-Gedicht, das selbst Rilke-Ignoranten kennen, ist nicht so aus einem Guss wie Mitterers Schlager „Sibirien“, dem Muliar 1990 zum Erfolg verhalf. „Der Panther“ mäandert, als hätte sich sein Schöpfer Mitterer, der doch so firm in der Satire („Piefke-Saga) ist, nur vorsichtig an die sogenannte leichte Unterhaltung herangeschlichen. Diese hat dafür Regisseur Wolf-Dietrich Sprenger, der u.a. im Haupthaus den fulminanten Bernhard „Über allen Gipfel ist Ruh“ inszenierte, blendend im Griff, wenn er Muliar und Ott behutsam lenkt und zu Klängen von Maurice Chevalier träumen, tanzen lässt.

Über die Story darf nicht viel verraten werden, sonst ist die Spannung weg: Eine alte Dame fährt einen alten Herrn über den Haufen und nimmt ihn anschließend bei sich auf, was ihrem Neffen gar nicht schmeckt. Michael Dangl spielt diesen geldgierigen Kerl großartig, was überraschend ist, denn als abgrundtief abgründigen Fiesling erlebt man ihn ja nicht so oft.

Überirdischer Mann ohne Namen

Elfriede Ott erfüllt ihre Rolle als entmündigte Marion Liebherr, die vermutlich höchstens überfordert, aber keineswegs altersschwach ist, weder körperlich noch geistig, mit Herzenswärme und Frische. Nachdem sie ihr Leben erzählt hat, kann man verstehen, dass sie lieber Puzzles macht und mit ihren Freundinnen ins Kaffeehaus geht, als den hinfälligen Ehemann zu pflegen. Und doch ist diese Frau auf entzückende Weise sofort und spontan verführbar geblieben.

Muliar, der noch in „Sibirien“ mit dem donnernden Zorn eines „Lear“ gegen die Gefangenschaft im Heim protestierte, zeichnet den „Mann ohne Namen“, der vielleicht einmal ein Panther war, in einem weit späteren Stadium des Niedergangs. Diesen Menschen, der nur noch selten „aufdreht“, der sich die Papiere eines Sterbenden angeeignet hat und seinen eigenen Namen nicht mehr weiß, hat das Zittern und die eisige Angst vor dem unwiderruflichen Ende gepackt. Manchmal weint er. Eine beklemmende, fast möchte man sagen, überirdische schauspielerische Leistung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2007)

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