Moderne für Leute, die Modernität nicht mögen

Poulencs „Karmeliterinnen“, ein Schlüsselwerk der jüngeren Musikgeschichte im Wiener Musikleben.

Francis Poulencs Oper „Die Gespräche der Karmeliterinnen“, zuletzt in der Ära Karajan, also kurz nach der Uraufführung (1957) in Wien produziert, ist eine der ungewöhnlichsten und mutigsten Kompositionen der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Gegen alle Zeitströmungen blieb der französische Meister getreu der Parolen seiner Mitstreiter (er zählte mit Kollegen wie Darius Milhaud zur Gruppe „Les Six“) der Tonalität treu und schloss sich avantgardistischen Experimenten nie an. Gerade deshalb kann seine Musik als stilbildend für spätere Rück-eroberungen von Klangräumen durch jüngere Komponisten der sogenannten „Postmoderne“ gelten.

Viele Stücke Poulencs haben spritzigen, unterhaltenden Charakter und nehmen bewusst den Ton französischer Unterhaltungsmusik und Chansons auf. Mit den „Karmeliterinnen“ bewies Poulenc jedoch schlagend, dass mit seinen Stilmitteln auch eine Tragödie adäquat umzusetzen war – und dass es auch im Opernbereich eine Gegenposition zur rigiden Klanglichkeit der offiziellen „Moderne“ jener Ära geben konnte.

Den Stoff für sein wichtigstes musikdramatisches Werk fand der Komponist bei Georges Bernanos, der das Drama der Karmeliterinnen von Compiègne während der französischen Revolution auf die Bühne brachte. Eingelassen in die historische Erzählung ist die Geschichte von Blanche, einer Tochter aus gutem Hause, die, geplagt von Panikattacken, in den Orden eintritt und erst in vielfältigen Dialogen mit ihren Mitschwestern zum wahren Glauben und ihrer eigenen Persönlichkeit findet.

Im Zentrum steht das Erlebnis des qualvollen Todes der Priorin, die in ihrem Delirium die folgende Katastrophe vorausahnt: Bereit zum Martyrium, besteigen die Schwestern kollektiv das Schafott. Blanche, die geflüchtet ist, schließt sich im letzten Augenblick furchtlos dem Zug der todgeweihten Nonnen an.

Im Theater an der Wien kommen die „Gespräche der Karmeliterinnen“ in einer Inszenierung Robert Carsens auf die Bühne, die in ihrer Kargheit schon in mehreren internationalen Opernhäusern – zuletzt in Amsterdam – ihre Wirkung erwiesen hat und auch bereits auf DVD veröffentlicht wurde.

Große Namen im Theater an der Wien

Die musikalische Einstudierung der Oper besorgt in Wien Bertrand de Billy mit seinem Radiosymphonieorchester Wien und einer luxuriösen Besetzung: Jean Philippe Lafont gibt den Marquis de La Force, Sally Mathews die von Panikattacken geplagte Blanche. In weiteren führenden Rollen: Marjana Lipovsek (Madame de Croissy) und Heidi Brunner (Madame Lidoine) sowie Michelle Breedt als Mutter Marie.

Patricia Petibon wird in den ersten drei Vorstellungen die Constance singen. Ab 26.Jänner übernimmt Hendrickje von Kerchhove die Partie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2008)

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