Tom Cruise: Deutschland-Invasion?

AP (ANDREW COOPER)
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Bizarre Videos mit dem Superstar und bekennenden Scientology-Anhänger erregen Heiterkeit, schüren aber auch Ängste.

Bizarr mutet diese Affäre an. Während der (TV-)Historiker Guido Knopp in „Bild am Sonntag“ wegen eines Scientology-Videos von Hollywood-Star Tom Cruise mit Goebbels-Vergleichen vom Leder zog, wurde in den USA die Parodie solcher Cruise-Auftritte durch den Komiker Craig Ferguson (lächerliche Perücke inklusive) gerade zum Online-Hit.

Dabei hatte erst eine unautorisierte Biografie vom einschlägig erfolgreichen Skandalautor Andrew Morton (der zuvor Enthüllungsbücher über Prinzessin Diana und Madonna verfasst hat) für Gerüchte und Aufregung gesorgt: Cruise sei nicht nur der berühmteste, sondern auch der zweitmächtigste Mann des Scientology-Kults nach dem Führer David Miscavige; viele Beziehungen des Stars (etwa zur Katholikin Nicole Kidman) seien an der Religion gescheitert. Gern wärmt Morton auch Spekulationen um Cruises jetzige Frau Katie Holmes auf: Ihr sei eingefrorenes Sperma von L.Ron Hubbard eingepflanzt worden, somit sei ihre Tochter Suri eigentlich das Kind des 1986 verstorbenen Sektenführers.

Noch während widersprüchliche Meldungen kursierten, ob Scientology und Cruises Anwälte in zwei- oder doch dreistelliger Millionen-Dollar-Höhe klagen würden, tauchten neue Probleme auf, in Form mehrminütiger Videos, die eigentlich für internen Gebrauch bei Scientology bestimmt waren.

Von Google und YouTube verschwunden

Unter Titeln wie „Tom Cruise über Scientology“ oder „Tom Cruise über Tom Cruise“ sieht man da den Star bei stockendem Vortrag wie messianischem Geschwafel: Die Wirkung war in einer zunehmend visuell orientierten Medienwelt ungleich größer als die von Mortons Buch.

Vorrang hatte für Scientology nun, die Kurzfilme von Websites entfernen zu lassen. Auf bekannten Internet-Portalen wie Google Video und YouTube verschwanden sie, aber etwa beim Klatsch- und Popkultur-Portal gawker.com sind sie weiter zu finden: Dort beruft man sich auf das „Fair Use“-Recht – Material darf unautorisiert publiziert werden, wenn der Nachrichtenwert relevant ist.

Auch diese Videos sind vor allem: bizarr. Cruise preist Scientology, sondert dabei eigenartige Laute ab (als Scientologe nehme man die Welt wirklich wahr, sei fähig, „pfff“ zu machen und effektiv zu sein), wettert ziellos gegen Psychiater. Kein Wunder, dass die oft nur absurd anmutenden Videoclips Parodien wie vom CBS-Comedian Ferguson und viel Gelächter nach sich zogen.

Debatte über Stauffenberg-Film

In den USA dominierte Heiterkeit, aber die Angelegenheit weckte auch Bewusstsein für die eigenartigeren Seiten von Scientology. In Deutschland hingegen ging es sofort wieder ans Eingemachte: Dort ist die Stimmung noch aufgeheizt von der Debatte um die teils an Originalschauplätzen gedrehte Hollywood-Großproduktion Valkyrie über das Stauffenberg-Attentat gegen Hitler.

Strittig: Darf ein Scientologe wie Cruise den deutschen Widerstandshelden spielen? Oder ist der Film gar Teil eines perfiden Plans zur Vorbereitung der, wie Morton schreibt, „Invasion von Deutschland“ durch die Sekte? Zwar stufte ein deutscher Verfassungsschutzbericht Scientology als Unternehmen ein, das „vor allem dem Gewinnstreben dient“ und „verfassungsfeindlich“ sei – aber nicht mehr. Doch die Befürchtung, dass Hubbards Jünger die Weltherrschaft anstreben, ist prompt wieder aufgeflammt.

Professor Knopp fragte sich gleich, ob der Stauffenberg-Film nicht doch Teil einer Strategie sei, um über die Person des Hauptdarstellers Sympathien für die Sekte zu erzeugen. Freilich: Werden solche Sympathien nicht gerade von Cruises bizarren Videos unterminiert? Jenes, das Knopp den Nazi-Vergleich entlockte, zeigt Cruise, wie er, tatsächlich mit einem gewissen Fanatismus, vor Scientologen spricht. Auf seine Frage „We clean this place up?“ kommen begeisterten „Yeah!“-Rufe der Zuhörer.

Zweifelhaft ist, ob das „zwangsläufig“ an die berüchtigte Sportpalast-Rede von Goebbels („Wollt ihr den totalen Krieg?“) erinnern muss, wie Knopp sagt – seine Übersetzung und Schilderung lassen das Video obendrein viel extremer erscheinen, als es ist. Man könne ebenso gut an eine „Motivationsveranstaltung von Microsoft“ denken, spöttelte die „Süddeutsche Zeitung“. Und wies korrekt darauf hin, wem es vor allem nützen würde, sollte das bizarre Schauspiel tatsächlich eine große mediale Kontroverse nach sich ziehen: Scientology und Cruise.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2008)

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