Der Kreationismus ist am Erstarken

In den USA, Europa und muslimischen Ländern wollen viele die Schöpfung im Unterricht sehen.

Wer von „Kreationismus“ oder „intelligentem Design“ spricht, meinte bis 2005 ein vor allem US-amerikanisches Phänomen, das 1926 erstmals die restliche Welt staunen ließ: Damals wurde der Lehrer John Scopes verurteilt (zu hundert Dollar Strafe), weil er im Schulunterricht Darwin erwähnt hatte, das war im Bundesstaat Tennessee verboten, dort galt, auch in der Schule, die Bibel wörtlich. Das Verfahren ging als „Affen-Prozess“ in die Geschichte ein, die Zeiten änderten sich, Darwin kam auf den Lehrplan; nun wollten die Kreationisten gleiches Recht, das Höchstgericht der USA wies es mehrfach ab, zuletzt 1987.

Danach stellten die Unterlegenen um auf „intelligentes Design“, eine Art Schöpfung ohne Schöpfer. Seitdem wird vor den US-Schulbehörden darüber gestritten. Aber eine internationale Dimension kam erst 2005, als sich der Wiener Kardinal Christoph Schönborn in der „New York Times“ für das „intelligente Design“ stark machte (und den Neodarwinismus als „Ideologie, nicht Wissenschaft“ verurteilte) und das Lehren von „Design“ im Biologieunterricht forderte.

Zeitgeist weht gegen Darwin

Das passte zum Zeitgeist. 2004 hatte Silvio Berlusconi in Italien versucht, das Lehren der Evolutionstheorie in den Schulen zu verbieten, 2006 nannte der stellvertretende polnische Erziehungsminister die Evolutionstheorie eine „Lüge“, 2007 sollte auch in einem deutschen Bundesstaat durchgesetzt werden, dass Darwin und „Design“ parallel unterrichtet werden. Daraus wurde nichts. Stattdessen beschloss im gleichen Jahr der Europarat – 47 Länder sind Mitglied –, das er „stark“ gegen den Kreationismus an Schulen sei, das Votum war knapp, die Debatten waren heiß, die Berichterstatterin des Europarats, Anne Braseur, beschrieb starkes Lobbying des Vatikan.

„Es ist nicht nur ein amerikanisches Problem“, erklärte nun Dietmar Graf, Technische Universität Dortmund, der vor zwei Wochen eine Konferenz zum Thema organisierte. Selbst in Darwins Heimat befürworten 37 Prozent der Schullehrer (und immerhin noch 30 Prozent der Biologielehrer) einen Parallelunterricht von Evolution und Kreationismus, was zumindest eine Umfrage im Dezember 2008 zeigte.

Das Phänomen ist nicht auf christliche Länder beschränkt: Über die Hälfte der Biologielehrer in Senegal, Marokko, Tunesien, Algerien und im Libanon sind überzeugt, dass „Gott das Leben schuf“. Und in der Türkei, wo das Lehren des Kreationismus an Schulen verboten ist, lehnen 75 Prozent der Lehramtsstudenten für Biologie die Evolutionstheorie ab. (Science, 323, S.1159)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2009)

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