Merlin, ein zauberhafter Sohn des Teufels

Merlin
Merlin(c) Schauspielhaus Graz
  • Drucken

Schauspielhaus Graz. Jan-Christoph Gockel inszeniert das Riesen-Drama „Merlin“ von Tankred Dorst und Ursula Ehler mit viel Klamauk. Übersicht darf man dabei nicht erwarten. 2

Wie gehen die Sagen um König Artus im Schauspielhaus Graz aus? Nach fast vier Stunden Spiel marschiert das Ensemble bei der Premiere am Donnerstag mit einer Armee von Marionetten-Soldaten auf, die Musik ist martialisch, der Kampf mörderisch. Am Ende fallen nicht nur diese Figuren und ihre Manipulatoren tot um, sondern wir erfahren auch, dass unser Zwergplanet Erde bereits erloschen ist. Denn Merlin, der Titelheld, schaut in die Zukunft.

So steht das im gewaltigen, 1981 in Düsseldorf uraufgeführten Drama von Tankred Dorst, das er unter der Mitarbeit von Ursula Ehler verfasst hat. In der Version für Graz, die Jan-Christoph Gockel inszenierte und die rund ein Viertel des 285 Seiten langen Dramas bringt, schmerzt diese Apokalypse gar nicht. Denn hier wird „Merlin oder Das wüste Land“ in ein Märchen mit viel Klamauk und Lust am Spiel verwandelt. An Übersichtlichkeit und Tiefgang mag es dabei etwas mangeln, aber diese erste große Premiere unter der neuen Intendantin, Iris Laufenberg, ist trotz einiger szenisch zerdehnter Strecken insgesamt doch gelungen. Der Weltuntergang machte auch Spaß, der Applaus des Publikums hielt herzlich lange an und galt besonders den anwesenden Autoren.

Der Teufel in vielfacher Gestalt

Der Titelheld des Stückes, das Mythen des König Artus und seiner Ritter der Tafelrunde mit modernen Themen mischt, ist hier nicht nur ein Zauberer. Merlin wurde vom Teufel mit einer frommen Frau gezeugt. Er soll nach dem Willen des Vaters „die Welt zum Bösen befreien“. Doch dieser Geist hat etwas von der Mutter, er will auch das Gute schaffen. Artus, der Praktiker, ist ein Werkzeug für Merlins Fantasie. Der Teufel erscheint in vielfacher Gestalt, fast alle im Ensemble spielen ihn, und Merlin ist ebenfalls wandelbar. Als Puppe und als Puppenspieler (Michael Pietsch), er kann ein schwarzer Vogel sein, der vom Kind Parzival gejagt wird, oder er sitzt unerkannt im Baum. Ein Prachtexemplar davon dominiert die Bühne – Julia Kurzweg lässt an diesem Riesen herumhacken, lässt ihn schließlich sogar spektakulär fällen. Da meint man fast, auf einem Set für „Der Herr der Ringe“ zu sein. In diesem durch und durch keltischen Ambiente wohnen Menschen, Geister, ja ein ganzes Bett birgt es, das Unzucht in die Tafelrunde bringt.

Deren Tisch aber ist eine Skurrilität. Ein halbes Dutzend Ritter versammelt sich an diesem Ding, das den Baum umringt. Fast hätte ihn der Schreiner gar nicht gebaut. Stammtische müssten eckig sein. Er verschließt sich anfangs in breitestem Steirisch dem Wunsch des Königs Artus (Fredrik Jan Hofmann), der das Gefolge gleichrangig versammelt wissen will, praktisch also eine Art Demokratie erfindet. Es ist symptomatisch für die Aufführung: Gockel liebt nicht nur das Puppenspiel (mit Figuren, die vom putzigen Holzbürschlein bis zum immensen mütterlichen Stofftier reichen), sondern auch das Blödeln. Stets neigen die Ritter zum Raufen. So turnt Julia Gräfner beeindruckend und mit Geschick als Parzival und als Elaine über die Bühne, während Franz Solar Sir Gawain und Herzeloide (Gender-Tausch sogar wieder einmal in Graz!) Charakter gibt – bis hin zur Schwermut. Florian Köhler bewährt sich in den Rollen des Schreinermeisters und des irren Lancelot, Evamaria Salcher gibt als Ginevra vor allem eine spröde Königin, die mit Leidenschaft geizt.

Auch die Dämonie von Mordred (Benedikt Greiner), der hier der Sohn des Artus ist, hält sich in Grenzen, diese Szenen eines Machtwechsels sind ohnehin nur kurz, so wie jene mit Arthurs Busenfreund Kay (Raphael Muff). Macht nichts: Wenn das Gewirr der Mythen allzu unübersichtlich wird, greift Lancelot zur E-Gitarre, oder es gibt gelassene Erklärungen und schnoddrige Kommentare des Ensembles. Warum auch nicht? Haben wir doch in Merlin einen, auf den wir zwar nicht bauen können, für den aber Vergangenheit und Zukunft ein offenes, bitterböses Märchenbuch sind.

Nächste Termine: 26.Sept.; 7., 14., 15., 20. und 27. Okt.; 5., 6. , 13. und 25. Nov., jeweils um 19 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.