Burgtheater Vestibül: Krisen der Generation Praktikum

FOTOPROBE: ´ES SAGT MIR NICHTS, DAS SOGENANNTE DRAUSSEN´
FOTOPROBE: ´ES SAGT MIR NICHTS, DAS SOGENANNTE DRAUSSEN´(c) APA/HANS KLAUS TECHT
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Sibylle Bergs „Es sagt mir nichts . . .“ wird von Martina Gredler intelligent inszeniert, von Sabine Haupt auf der intimen Bühne fantastisch umgesetzt.

Eine Frau, man kann sie noch als jung bezeichnen, allein in ihrer Wohnung, hält Kontakt zu Freundinnen und zu ihrer Schwester, über neuere Kommunikationsmittel wie SMS, Chat, Skype. Nur von ihrer Mutter wird sie schließlich altmodisch per Telefon angerufen, wahrscheinlich Festnetz. 90 Minuten können die Zuschauer diese Person, Endphase Generation Praktikum, im Burgtheater-Vestibül beim Dialog beobachten, sie hören und sehen aber nur ihren Teil und ihr Referieren darüber, was sie aus imaginären Telefonen oder Computern hört, sieht. Die Gesprächspartner bleiben fern.

Ist das nicht ein bisschen fad, all der beiläufige Trash, das Geplapper, das man heute ohnehin jederzeit in der Öffentlichkeit mitbekommt, wenn Zeitgenossen ihre Intimitäten ins Handy plärren? Nein, es ist spannend und toll, wenn die Dramatikerin Sibylle Berg solch beiläufigen Zeitgeist in ihrem Drama „Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen“ zynisch-absurd einfängt. Eine Einsame legt hier los, sie zeigt ihren Überdruss an dieser die Entfremdung fördernden Welt, entblößt ihre Sehnsüchte und lässt tief blicken.

Ausgezeichnet von „Theater heute“

Die Fachzeitschrift „Theater heute“ zeichnete Bergs Kammerspiel im Vorjahr als bestes deutschsprachiges Stück aus, uraufgeführt wurde es Ende 2013 am Gorki-Theater in Berlin mit vier Darstellerinnen, es war im Vorjahr auch als Gastspiel am Landestheater Niederösterreich zu sehen. Martina Gredler hat nun diesen unterhaltsamen Text intelligent und abwechslungsreich an der Burg inszeniert, vor allem aber setzt Sabine Haupt diese Arbeit in einem furiosen Solo auf dieser kleinen Nebenbühne um. Am Sonntag gab es die Wiener Erstaufführung. Sie würde einen größeren Rahmen verdienen, denn sie trifft den Nerv der Zeit und wird von Haupt auch schön differenziert gespielt. Zu recht wurde bei der Premiere heftig applaudiert.

Der Beginn: Showtime! Rechts oben dreht sich ein per Beamer projizierter Globus, aus einer lädierten Doppeltür im Zentrum (Bühne: Jura Gröschl) tritt Haupt auf, sie hat silbern glänzende Leggings an, den Zylinder eines Entertainers auf und wirft auch gleich mit Konfetti, während sie über schmutzige Jutesäcke stapft. Ihre Wohnung könnte ein Kohlenkeller sein. Nun legt sie los, redet über Freundinnen, Liebe, eine wilde Jugend, als die Mädels gemeinsam Burschen brutal verprügelten, mit Schlägen und Tritten angriffen. Inzwischen sind sie ruhiger geworden, huldigen, wiewohl kritisch, dem Konsum, betreiben Partnersuche, brauen illegal Viagra, setzen sich dem Fitnesswahn und der Pornografie aus. Manchmal greift Haupt zum Mikrofon, singt. Immer wieder wird die Erzählung durch Popmusik oder Anrufe unterbrochen, Es schrillt die SMS, dudelt das Skype-Signal. Emotionen sieht man in kurzen Tricksequenzen auf dem runden Bildschirm rechts oben. Da weinen oder kotzen Kunstfrauen, kullern Herzen. Und mittels einer Makrokamera kommt man Verstörungen ganz nah. Die Aufführung ist abwechslungsreich segmentiert, nur am Schluss, ausgerechnet in der Hektik, zieht sie sich ein wenig. Ein unbedeutendes Manko. Zuvor nämlich verrät diese heutige Heldin wirklich viel. Hat sie auch ein böses Geheimnis? Gibt es eine Leiche im Keller? Wo bleiben überhaupt die Männer, Freunde, Väter? Wer weiß das schon genau?

Termine im Vestibül des Burgtheaters: 9. und 16. Dezember, 5., 8., 9. und 23. Jänner und 2. Februar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2015)

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