Der Mann im Mond als unerwünschter Asylant

„Der Mondmann“
„Der Mondmann“(c) Lupi Spuma / Schauspielhaus Graz
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Im Grazer Schauspielhaus baut Mathias Schönsee ein Bilderbuch des genialen Tomi Ungerer zur Gesellschaftssatire aus: Die Politik beschädigt leicht die Poesie. Die Uraufführung des „Mondmanns“ ist dennoch ein Schau-und Show-Vergnügen.

Der Mond hat ein Gesicht, zumindest sieht es aus, als hätte er eines. Und weil das so ist, beschäftigt der Mann im Mond seit jeher die Menschen. In „Die Reise zum Mond“ von Georges Méliès (1902) schießen die Menschen dem Mond eine Rakete ins Auge, ein großartiges Bild, eine Ikone. Auch die deutsche Band Die Prinzen besang den geheimnisvollen Mondbewohner: „Jeden Abend knipst der Mann im Mond sein Licht an/damit man auf der Erde noch was sieht/was man, wenn er es nicht anknipst, nicht kann/Doch dann sieht er auch nicht/was hier so geschieht.“ Aus dem Jahr 1966 stammt das Bilderbuch eines der genialsten Geschichtenerzähler und Zeichner, Tomi Ungerer: „Der Mondmann“. Im Grazer Schauspielhaus erlebte Freitagabend eine satirische Musical-Fassung „nach“ Ungerer ihre Uraufführung. Mathias Schönsee schrieb den Text, Maike Rosa Vogel die Songs. Schönsee hat auch inszeniert. Das tolle Bühnenbild hat Stephan F. Rinke zu diesem vorweihnachtlichen Familienstück beigesteuert, das dem Publikum sehr gefiel. Einen wichtigen Anteil an der zauberhaften Optik haben auch die fantasievollen Kostüme von Jessica Karge.

Der Mondmann ist einsam, jeden Tag lauscht er den Geschichten, Klagen, Sehnsüchten, die ihm die Menschen erzählen, er sieht aber auch ihre ausgelassenen Feste. Er möchte sie besuchen, hängt sich an einen Kometenschweif und fällt mit dem Meteoriten auf die Erde, wo ihn ein neugieriger Wissenschaftler erwartet – jedoch leider auch ein machtgieriger Präsident. Dieser will die Mondschätze ausbeuten und lässt den Außerirdischen einsperren. Pascal Goffin spielt den lauteren Mondmann, der erste stolpernde Schritte auf der Erde tut, immer wieder hell weiß aufflammt und dann auch wieder seine dunkle Seite zeigt.


Phänomenaler Gerhard Balluch. Der Mondmann spricht wenig, mag Kinder und hält, trotz aller Widrigkeiten, an seinem Erdenbesuch fest. Doch es ist kein Besuch, es fehlt das Transportmittel, das ihn in seine Heimat zurückbringen kann. In der Uraufführung spielen einige Schauspielstudenten der Kunstuniversität Graz, die markanteste Rolle hat das schlaflose rebellische Kind (Malin Kemper) – das überall dabei sein möchte. Gerhard Balluch begeistert als alter Erfinder Bunsen van der Dunkel, mit wirrem weißen Haar und klarem Blick für die Schlechtigkeit der Welt – was den Greis aber nicht abhält, einen Bund mit der Politik zu schließen, damit er seine Forschungen vorantreiben kann. Der Präsident (Mathias Lodd), groß, blond, in Leder, aber von Husten geplagt, weiß, dass er bald sterben wird, und setzt seine Tochter als Nachfolgerin ein, die aber liebt einen Dichter. Sehr hübsch ist das Hauptlied „Alone on the Moon“.

Der heute 85-jährige Elsässer Ungerer, der als Junge „Ein Liter“ rief, um den Hitlergruß zu vermeiden, ist auch ein politischer Autor, aber mehr anarchisch-gewitzt als frontal satirisch. Die Truppen von garstigen Älplern und sturem Wachpersonal sind zu explizit. „Der Staat guckt uns unter die Kostüme/als hätten wir den Terror in der Unterhose“, heißt es einmal und „Nieder mit dieser Scheindemokratie!“ oder: „Warum tut ihr alle nichts!“, wird das Publikum angeschrien. Nichts gegen politische Botschaften, auch im „emanzipierten“ Jugendtheater, aber das hier sind zum Teil allzu platte Auslassungen. Das Ensemble ist gut, die Poesie allerdings wurde nur mit knapper Not vor dem Agitprop gerettet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2016)

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