„BB“s Wähler als „Zünglein an der Waage“

1951 stellte Burghard Breitner vom VdU im ersten Wahlgang die Politlandschaft auf den Kopf.

Die Suche nach einem parteiunabhängigen bürgerlichen Präsidentschaftskandidaten ging schon früher einmal – 1951 – kläglich schief. Damals war der Arzt Burghard Breitner (67) das Opfer.

Die Sozialisten hatten nach Karl Renners Tod Wiens Bürgermeister Theodor Körner nominiert; die ÖVP den oö. Landeshauptmann Heinrich Gleißner. Der „VdU“, Vorgänger der späteren FPÖ, verfiel auf Breitner, der im Ersten Weltkrieg in russischer Kriegsgefangenschaft Unglaubliches geleistet hatte. Der „Engel von Sibirien“ hatte nur einen kleinen Nachteil: Er war kein Politiker. Er wollte keine Wahlkundgebungen, fünf Minuten Radiosendezeit waren ihm genug.

Dennoch geschah Sensationelles: Gleißner kam auf 1,725.451 Stimmen, Körner auf 1,682,661. Und Breitner erhielt 662.501 Stimmen. Nun war also eine Stichwahl zwischen Gleißner und Körner nötig. Wem sollten die Breitner-Wähler ihre Stimme – und so den Ausschlag für Schwarz oder Rot geben? Der VdU verlangte von der ÖVP, sie möge Gleißner zurückziehen und einen für beide Parteien akzeptablen neuen Kandidaten präsentieren. Diesem werde man die 600.000 Breitner-Stimmen zu Füßen legen.

Die ÖVP dachte überhaupt nicht daran. Sie wähnte sich siegessicher. Der VdU gab daher als Wahlempfehlung aus, ungültig zu wählen. Doch die Breitner-Wähler hielten sich nur zum geringsten Teil an die Äquidistanz – Theodor Körner ging mit beachtlichem Vorsprung über die Ziellinie.

Der Rest war Katzenjammer: Die Volkspartei zieh den VdU der „Linkslastigkeit“, der „Verband der Unabhängigen“ wehrte sich mit unzulänglichen Mitteln – noch war ja die Wählerstromanalyse nicht erfunden. Das Klima war giftig, erst 1957 probierte man es mit Wolfgang Denk nochmals.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.