St Margarethen: Rigolettos Totentanz

Jahrmarktstimmung: Die Inszenierung von Verdis „Rigoletto“ in St. Margarethen litt an der Überfülle an Effekten.
Jahrmarktstimmung: Die Inszenierung von Verdis „Rigoletto“ in St. Margarethen litt an der Überfülle an Effekten.(c) Armin Bardel
  • Drucken

Philippe Arlaud ertränkte Verdis Meisterwerk im Steinbruch in einer Flut von Bildprojektionen, während sich das Sängerensemble virtuos gegen den Regen schlug.

Oper unter freiem Himmel, das führt des Öfteren zu rettungslosem Ertrinken. Auch anlässlich der diesjährigen Sommerpremiere im Steinbruch von St. Margarethen kannte das Wetter kein Einsehen. Es regnete zum Teil wolkenbruchartig. Verdis „Rigoletto“ ertrank trotzdem nicht in den Wasser-, sondern in Bilderfluten. Philippe Arlaud, Regisseur, Bühnenbildner und Lichtdesigner in Personalunion, sorgte für eine ungeheure Fülle von optischen Reizen. Pappmaché-Felsen, die sich über die Bühne bewegen, sich öffnen, den Blick auf golden bemalte Zimmer freigeben oder auf Landschaften, die permanent mit Projektionen angestrahlt werden.

Vielleicht gab es bei all der Jahrmarktstimmung, in all dem Zirkustrubel so etwas wie eine Personenführung für die zentralen Figuren der Opernhandlung, sie war in der Überfülle von Projektionseffekten nicht zu bemerken. Überaktionismus herrschte hingegen bei den choreografischen Versuchen, den Chor zu bewegen, und bei den Nebenrollen: Die Reparatur des Mikrofons der schon halb tot liegenden Gilda auf offener Bühne durch einen kostümierten Techniker, sie wirkte in der Fülle der Regieideen wie ein inszenierter Wiederbelebungsversuch. Einzig berührend war zuletzt Gildas Tod als Tanz mit ihrem Vater.

Am Pult des exzellent disponierten Symphonieorchester des Slowakischen Rundfunks stand erstmalig eine Dirigentin, Anja Bihlmaier. Sie führte Orchester und Sängerensemble trotz widriger Umstände schwungvoll und ohne wesentliche Irritationen durch die Aufführung, bei angenehm zügigen Tempi und viel Einfühlungsvermögen in der Sängerbegleitung.

Die „Regen-Gilda“ von St. Margarethen

Soweit die Tonanlage feststellen ließ, kämpfte ein ausgezeichnetes Sängerensemble mit Erfolg gegen das Wetter, mit weniger Erfolg gegen so manchen Regiegag. Vladislav Sulimsky, Verdi-erprobter Bariton an Valery Gergievs Mariinsky-Theater, fühlt sich in der breiten emotionalen Palette des Rigoletto hörbar wohl, genießt Verdis lange Melodiebögen, sei es in den lyrischen Momenten, sei es verzweifelt wütend in der großen Arie wie im Racheduett. Angesichts der Ausdruckskunst dieses Baritons nimmt der Hörer gern in Kauf, dass Sulimsky bei einigen Spitzentöne an seine Grenzen gelangt.

Der koreanische Tenor Yosep Kang ist als Herzog international erfahren, seine Stärke liegt, passend für eine Freiluftaufführung, in den dramatischen Komponenten seiner Partie: Wo tenoraler Glanz, Höhensicherheit und Dramatik gefragt sind, kann er voll reüssieren. Verdi schenkt seinem Herzog jede Menge davon, besonders in der zentralen Arie mit Cabaletta.

Die junge Baskin Elena Sancho Pereg wird als „Regen-Gilda“ in die Geschichte von St. Margarethen eingehen. Der beginnende leichte Niederschlag steigerte sich während ihres Duetts mit dem Herzog zum Wolkenbruch. Sie sang „Caro nome“ unbeirrt mit so brillanten Koloraturen, dass der größte Teil des Publikums trotz Regens ausharrte, um sie herzlich zu bejubeln. Die Dramatik des Racheduetts im Finale des zweiten Aktes liegt ihr weniger, doch gelang das Schlussduett bewegend. Sorin Coliban ist ein mächtiger finsterer Sparafucile, Annely Peebo eine üppige Maddalena, die es manchmal mit der Intonation nicht so genau nahm. Clemens Unterreiner, der dröhnende Monterone, wurde seines großen Auftrittes am Schluss des zweitens Aktes beraubt: Da darf er nur als eine der zahlreichen Fotoprojektionen auf den Felswänden erscheinen . . .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.