Akademietheater

Breth-Effekt: Erst Gähnen, dann Begeisterung

Spielchen und Gewalt: Stanley (M. Simonischek), Meg (N. Petri), Petey (P. Siegenthaler).
Spielchen und Gewalt: Stanley (M. Simonischek), Meg (N. Petri), Petey (P. Siegenthaler). (c) Burgtheater/Bernd Uhlig
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Andrea Breths Pinter-Inszenierung aus Salzburg ist ein Abend für Geduldige mit schrägem Humor.

Ehrlich jetzt! Wer braucht Geburtstagsfeiern? In der Kindheit fängt es an – mit Eifersüchteleien und den falschen Geschenken. Später sind Partys oft ein Anlass dafür, dass sich die Gäste blitzschnell betrinken, ausfällig werden – oder sonst Unangenehmes passiert. Wie bei Harold Pinters frühem Stück „Die Geburtstagsfeier“, das Andrea Breth heuer bei den Salzburger Festspielen inszeniert hat. Seit Sonntag ist die Aufführung im Akademietheater zu sehen.

Sturm an der See, die Natur wurde in die Häuser hineingespült, Sand bedeckt die Bühne, erst liegt das Holzboot am Steg, später füllt es riesenhaft den kleinen Raum, auch ein Symbol dafür, dass alle, die hier sind, wegwollen. Diese Komödie ist nicht besonders komödiantisch – und fürs Erste rätselhaft. Wer sind diese Leute? Am leichtesten ist Stanley zu entschlüsseln, ein Ebenbild des Autors als junger Dichter mit Strubbelhaar, im schmutzigen Morgenmantel, Streifenpyjama. Max Simonischek spielt den Künstler, der überall aneckt, anecken will, der seine üblen Spielchen mit der Hausfrau Meg (Nina Petri) treibt – mit der er vielleicht ein Verhältnis hatte oder auch nicht.

In seiner Videobotschaft zur Verleihung des Literaturnobelpreises 2005 greift Pinter drei Jahre vor seinem Tod zurück auf das Jahr 1958, als er geschrieben hat: „Es gibt keine scharfe Unterscheidung zwischen Real und Irreal, auch nicht zwischen Wahr und Falsch.“ 1958 brachte der namhafte britische Regisseur Peter Wood „Die Geburtstagsfeier“ des 28-jährigen Dichters aus dem Londoner Arbeiterbezirk Hackney heraus, ein Missverständnis jagte das andere bei dieser Uraufführung. Im Programmheft zur Akademietheaterproduktion ist darüber nachzulesen. Und das sollte man tun, möglichst, bevor man das Stück anschaut. Der Plot ist simpel, die Fallstricke liegen in der Sprache: Stanley, der offenbar mit seinen künstlerischen Ambitionen gescheitert ist, hat sich in eine kleine Pension zurückgezogen, wo er vom bulligen Petey (Pierre Siegenthaler) beschützt und von Meg versorgt und umgarnt wird. Eines Tages tauchen zwei undurchsichtige Herren auf, der geschniegelte Goldberg (Roland Koch) und McCann, ein Mann fürs Grobe (Oliver Stokowski). Nach einer wilden Party, zu der auch Lulu (Andrea Wenzl) kommt, schleppen sie den offenbar schwer misshandelten Stanley davon.

Künstler, Kleinbürger, dunkle Schatten

Lulu, jene von Wedekind, war heuer auch eine der Protagonistinnen des stark vernetzten Salzburger Opern- und Schauspielprogramms, in dem es um Strategien der Macht ging. Wedekinds Lulu wird vom Opfer zur Täterin – und wieder zum Opfer. Bei Stanley ist es ähnlich. Er soll gewaltsam in die bürgerliche Ordnung gepresst werden, dabei verliert er die Sprache und geht zugrunde. Die Pensionsleute stehen für den (britischen) Kleinbürger, der gegen die Obrigkeit nichts ausrichten kann und sich in Enklaven zurückzieht. Die sinistren Herren könnten vom Geheimdienst oder auch allgemeine Symbole für eine anonyme Macht sein, die jederzeit zuschlagen kann.

In Martin Zehetgrubers genialem Bühnenbild produziert sich das erlesene Ensemble mit Lust – und alsbald tritt der typische Breth-Effekt ein. Auf Gähnen und Irritation folgt das Aha!, das sich in Begeisterung wandelt, und am Schluss: Bitte noch einmal! Die Kritiker fanden diese Produktion in Salzburg eher öde. Wiens Premierenpublikum war hörbar anderer Meinung. Ob sich dieses teils spröde, teils urkomische und jedenfalls mit der Breth-eigenen Präzision gebaute schillernde Kunstobjekt mit vielen Facetten im Repertoire bewährt, wird man sehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2017)

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