Winkler im Burgtheater: Wer hat vergessen, den Fernseher abzudrehen?

Lass dich heimgeigen, Vater ODER Den Tod ins Herz mir schreibe | Josef Winkler | Uraufführung | Kasino
Lass dich heimgeigen, Vater ODER Den Tod ins Herz mir schreibe | Josef Winkler | Uraufführung | Kasino(c) Burgtheater/ Reinhard Werner
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Josef Winkler variierte in seinem Auftragswerk für das Burgtheater sein Thema Nummer eins. „Lass dich heimgeigen, Vater oder Den Tod ins Herz mir schreibe“ ist trotzdem ein dichter Text, überzeugend gespielt, doch zerdudelt von Musik.

Oft irritieren überbordende Regieeinfälle. Alia Luque hatte für ihre Josef-Winkler-Uraufführung im Kasino nur eine markante Idee. Ein Fünfziger-Jahre-Fernseher spielt zwei Stunden lang Schlagershows, mal leise, mal laut: zum Davonlaufen. Abrechnungen mit dem Vater gibt es oft in der Literatur. Winkler folgt Kafka. Und er übermalt Peter Handkes „Immer noch Sturm“: Kohlschwarz. Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr, der Scherz bietet sich an, ist aber unangebracht bei diesem ernsten Thema: Schuld sind immer die Eltern, auch wenn es schwerfällt, ihnen die ganze Bürde aufzuladen angesichts eines Regimes, das viele Subjekte zu Objekten degradierte. Wer sich querstellte, bezahlte mit dem Leben. Die da heute so eloquent rechten, wären sie mutig gewesen? Würden sie es heutzutage sein – anders als diese einfachen Leute aus dem Dorf?

Ernten, wo Kriegsverbrecher modern

„Lass dich heimgeigen, Vater oder Den Tod ins Herz mir schreibe“ heißt Winklers Stück. Es ist vermutlich Teil seines neuen Buches, das am 12. März 2018 erscheint, zum Gedenken an 80 Jahre „Anschluss“ Österreichs an Hitler-Deutschland. Der Hintergrund des Dramas: Der Schlächter Odilo Globocnik, der sogar einigen seiner NS-Kumpanen zu grausam war – „er wollte unbedingt mit seinen Juden-Vernichtungen und seinen erfassten Werten an der Spitze stehen“, schrieb Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß –, vergiftete sich 1945, nachdem er von den Briten nahe dem Weißensee festgenommen worden war, mit Zyankali. Sein Leichnam wurde verscharrt, auf den „Sautratten“ nahe Paternion und Kamering, Winklers Heimatort. Wo seine Familie Getreide erntete, moderte der Kriegsverbrecher. Globocniks Adjutant Ernst Lerch lebte bis 1997 unbehelligt in Klagenfurt. Globocnik leitete die „Aktion Reinhardt“, der im besetzten Polen zwei Millionen Juden und 50.000 Roma zum Opfer fielen. Liest man über die enormen Gewinne, die dieser Massenmord dem NS-Regime und der SS einbrachte, mag man an die Profite von Terror heute denken. Winkler umrundet aber nicht nur Zeitgeschichte, er schildert sehr genau ein Milieu, in dem bis weit in die Nachkriegszeit Menschenverachtung herrschte. Einiges hat sich bis heute nicht verändert. Vor allem Kinder werden misshandelt. Winklers Vater schlägt den Sohn blutig, die Mutter prügelt ihn, weil er Briefmarken versteckt hat, diese waren früher eher teuer. Das Stück ist eine farbenstarke und erschütternde Anklage und Klage.

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