Shakespeares Pärchen, reloaded

(C) Wiener Staatsballett Ashley Taylor
  • Drucken

Das Staatsballett hob Davide Bombanas „Roméo et Juliette“ nach Musik von Berlioz aus der Taufe – als cooles Remake einer einstmals poetischen Liebesgeschichte.

Zärtlichkeiten werden hier nicht ausgetauscht. Seit Romeo und Julia das erste Mal die Nachtigall mit der Lerche verwechselt haben, sind etliche Lenze ins Land gezogen – und die heutige Generation hat es nicht mehr so mit der Poesie, nicht einmal mit der Shakespeares, klänge sie auch noch so nachhaltig, gefiltert durch Hector Berlioz' Musik herüber.

Davide Bombana hat sich die Aufgabe gestellt, die „dramatische Symphonie“ in ein zeitgenössisches Tanzstück zu verwandeln, was dramaturgisches Harakiri bedeutet, denn der Komponist erzählt nur einzelne Passagen des Dramas mit musikalischen Mitteln nach. Vieles, was zur Bühnenhandlung gehören müsste, überlässt er der Fantasie des Hörers.

Sobald der zum Zuschauer wird, wie anlässlich einer Premiere unseres Staatsballetts in der Volksoper, muss man ihm einige wichtige Pointen zumindest in gespenstischer Kürze andeuten: etwa die Szene, in der Julia den von Pater Lorenzo gereichten Betäubungstrunk zu sich nimmt.

Die Sache dauert nach der ausführlichen Liebesszene gerade einmal eineinhalb Minuten; flugs fällt der Pausenvorhang. Manches funktioniert hier nur auf Teufel komm raus. Und er kommt auch, er ist, genau genommen, schon im stummen Vorspiel da: Rebecca Horner gibt katzenhaft geschmeidig und sichtlich bösartig die Königin Mab, die in dieser Deutung des Stoffes zur Fee der Alpträume wird. Von einem Trupp Assistenz-Kätzchen begleitet, umgarnt sie die verfeindeten Familien des Liebespärchens und sät Zwietracht.

Der überzeugende Fiesling

Der rechtschaffen fiese Tybalt Martin Winters macht am konsequenteste Gebrauch davon. Bombana findet für ihn auch die expressivsten Bewegungsfolgen – die Gutmütigkeit des geistlichen Bruders, der zuletzt die Sache aufzuklären versucht, liegt ihm weniger: Roman Lazik ist ein recht eintönig psalmodierender Klosterbruder.

Bestens funktionieren die heiklen Übergänge zwischen Tanz, Schauspiel und Oratorium – Volksopernchor und Gesangssolisten (Annely Peebo, Szabolcs Brickner und Yasushi Hirano) haben ihren Teil am Bewegungskonzept, das für die komödiantischen Einlagen von Mercutio und Benvolio erfrischend agile Aufgaben bereithält, derer sich Alexander Kaden und Gleb Shilov virtuos entledigen.

Wenn es um die großen melodischen Bögen geht, die Berlioz Romeo und Julia geschenkt hat, haben Maria Yakovleva und Masayu Kimoto freilich Mühe, viele kleinteilige, hektisch aufeinanderfolgende Figuren zu Linien zu binden. Die „Scène d'amour“ findet nur dort, wo der Komponist lebhaftere Töne vorschreibt, zu glaubwürdiger Balance zwischen Optik und Akustik; um letztere bemüht sich das Orchester unter Gerit Prießnitz mit Nachdruck – im Scherzo der Königin Mab freilich nicht mit jener Federleichtigkeit, die Wiens Corps de ballet eigen ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.