Thomas Maurer will weit zurück in die Zukunft

Irgendwas stimmt nicht an Thomas Maurer.
Irgendwas stimmt nicht an Thomas Maurer. (c) Clemens Fabry
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Das Soloprogramm im Stadtsaal ist anspruchsvoll. Ein wenig Vulgarität lockert die abstrakten Ideen auf.

Irgendwas stimmt nicht an Thomas Maurer. Die Wiener Premiere für sein zweistündiges Solo hat am Donnerstag begonnen, links aus der Dunkelheit taucht der Kabarettist in einer Apparatur auf, die aus der Ferne wie der Glaskasten bei einem Mafiaprozess aussieht. Maurer beginnt über den Wahlkampf zu lästern. Vor allem Türkise und Blaue bekommen ihr Fett fast noch aktuell ab, auch auf Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, der eben vor Gericht steht, wird nicht vergessen. Und doch wirkt Maurer, der so perfekt den einfachen Kreativen von der Straße mimen kann, diesmal gekünstelt, leicht nervös und irgendwie abwesend.

Da passiert es! Er beginnt sich aufzulösen, in zwei Personen zu teilen, die dann erstarren. Es wird hell, und als ein dritter Maurer, jetzt eindeutig leibhaftig, auftaucht, um hektisch an einer Fernbedienung herumzufummeln, weiß man: Das ist kein Glaskäfig, sondern ein Bildschirm, auf dem ein künstlicher Kabarettist in 3-D vorgetäuscht werden sollte.

So funktioniert die „Zukunft“, die der Titel des Programms verheißt: Ein virtueller Künstler versucht, seinen alten, türkis umlackierten Pkw zum Fantasiepreis zu verscherbeln – denn, so die bestechende Logik, wenn es ÖVP-Chef Kurz gelungen sei, Schwarz durch Umfärben als neue Partei zu verkaufen, gehe alles.

Schlager für Fortgeschrittene

Die Politik aber bleibt an diesem Abend nur Rahmenprogramm. Es geht um echte Utopien. Stolz zeigt Maurer seinen teuer erworbenen Kommunikator, der genauso aussieht wie jener, den in einer 50 Jahre alten Science-Fiction-Serie Captain Kirk und seine Crew auf dem Raumschiff Enterprise verwendet haben. Damit kann man nur telefonieren – über Bluetooth, wenn man das Gadget mit dem Smartphone verbindet. Brav werden technische Wunder abgearbeitet. Maurer spielt mit dem Handy, mit dem Roboterhund, sinniert über Kryokonservierung, genetische Glanzleistungen und mangelnden Datenschutz böser sozialer Medien, verspottet den Wahnsinn alter Futurologen.

Aber all diese Einfälle sind genau betrachtet gar nicht vorwärts gerichtet, sondern zurück in die gute alte Zeit. Schlager für Fortgeschrittene. So manche(r) im reifen Publikum kennt die Peinlichkeit, Kinder oder Enkel um Rat zu fragen, wenn PC oder Handy wieder einmal malfunktionieren. Wird dieser scharfzüngige Frevler etwa sentimental? Der schönste Moment: Maurer ehrt den Vater, einen ehrlichen Hackler, dessen Lebenstraum das Haus am Land war. Für private Nostalgie kommt der Videoschirm mehrfach zum Einsatz. Man sieht den Protagonisten als Volksschulkind, als Teenager, als prekären Rentner, Islamisten und steinalten Mann in ferner Zukunft.

Es ist eine Kunst, all die abstrakten Ideen in Zugnummern zu verwandeln. Diese „Zukunft“ ist technisch überladen. Etwas Brachialhumor schafft Erleichterung. Wenn Maurer „beschissen“ oder eine Wiener Wendung für Beischlaf einflicht, lachen viele erleichtert auf. Auf das gute alte analog Ordinäre ist eben Verlass.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2017)

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