Burgtheater: Eine tolle Baustellenparty für Joseph Roth

Ein feines Ensemble, überwiegend Herren, schultert Luftballons und Joseph Roths „Radetzkymarsch“, diesen apokalyptischen Abgesang auf die österreichisch-ungarische Monarchie.
Ein feines Ensemble, überwiegend Herren, schultert Luftballons und Joseph Roths „Radetzkymarsch“, diesen apokalyptischen Abgesang auf die österreichisch-ungarische Monarchie. (c) Marcella Ruiz Cruz/Burgtheater
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Johan Simons und sein Bearbeiter Koen Tachelet fegen konventionelle Inszenierungen des „Radetzkymarsch“ kühn beiseite. Der Roman wirkt teils derb dekonstruiert. Das Ensemble schlägt sich tapfer durchs Wortgebirge.

Luftballons! Sie schweben auf und ab, stören die Darsteller, treiben ins Publikum. Wie die Besucher auf dieses Mitspielangebot reagieren, ist Temperamentsache. Manche schlagen genervt auf die bunten Kugeln. Katrin Bracks Bühnenbild zu Joseph Roths „Radetzkymarsch“, seit Donnerstagabend im Burgtheater zu sehen, ist das Markenzeichen der Aufführung: Der Mensch, verloren in einem Universum schwer durchschaubarer Gummiplaneten.

Johan Simons, Intendant der Münchner Kammerspiele, der Ruhrtriennale, derzeit in Bochum, hat inszeniert. Er verbindet freie, kollektive mit Stadt- und Ensemble-Theaterformen. Die Schauspieler sitzen hinten auf der Bühne, sehen den Kollegen vorn zu, mischen sich ein. Gewissheiten zerstreuen, Irritationen erzeugen, das sind Ziele dieser Konzeptkunst. Mit historischen Interpretationen, seien sie noch so authentisch und überzeugend wie in Reichenau oder in Axel Cortis Verfilmung, hat diese Produktion nichts zu tun. Ihre größte Stärke ist, dass sie die Lage der Monarchie mit jener Europas heute verbindet: politische Ranküne, Zerfallstendenzen, Nationalismus, Radikalisierung, Menschenhandel. Da ist viel fürs Erste nicht aus Roths Buch von 1932 herauszulesen, und doch sind Parallelen vorhanden.

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