In „Heisenberg“ werden zärtliche Gefühle vermessen

Burghart Klaußner (Axel Priest), Caroline Peters (Georgie Burns)
Burghart Klaußner (Axel Priest), Caroline Peters (Georgie Burns) (c) Matthias Hoppe/Burgtheater
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Gelungenes Gastspiel aus Düsseldorf im Wiener Akademietheater.

Zwei Menschen begegnen sich auf einem Bahnhof in London. Zufall? Bei einem Stück, das den Titel „Heisenberg“ trägt, ist solch ein beliebiger Schluss beinahe Notwendigkeit. Aber trifft diese etwas durchgeknallt wirkende, offenbar unter Redezwang leidende Georgie Burns, eine Frau Anfang vierzig, den Fleischhauer Alex Priest tatsächlich absichtslos? Und warum hat sie diesen wildfremden, 75 Jahre alten Mann spontan in den Nacken geküsst? Der Brite Simon Stephens hat ein gut gemachtes Kammerspiel geschrieben, dessen deutschsprachige Erstaufführung Lore Stefanek 2016 fürs Düsseldorfer Schauspielhaus voll Esprit inszenierte. Davon konnte man sich am Wochenende in Wien bei einem Gastspiel im Akademietheater überzeugen.

Eineinhalb Stunden boulevardesker Wirbel mit Spuren von Gemütstiefe. Caroline Peters und Burghart Klaußner, vielfach ausgezeichnet für Bühnen- und Filmrollen, spielen dieses seltsame Paar, das sich erst vorsichtig, dann stürmisch näherkommt, akzentuiert. Ein Gegensatzpaar: Er ist schweigsam und konstant, für Momente leidend. Sie ist penetrant aufgedreht, für Momente traurig.

Meist aber geht Georgie hohes Tempo. Das schlichte Bühnenbild von Janina Audick mit verschiebbaren Wänden verwandelt sich flugs in ein Geschäftslokal, eine Privatwohnung, schließlich geht es mit wenigen Griffen ab in die USA, wo Georgie mit großzügiger Hilfe von Alex ihren entfremdeten Sohn sucht. Stattdessen erfährt sie, dass das Abenteuer Leben anders als ursprünglich geplant zweisam weitergeht. Alex hat sie begleitet.

Ein Quantum Trost: Aber die Liebe!

Werner Heisenberg, nach dem das Stück benannt wurde, hat den Begriff der Unschärferelation in die Physik eingeführt: Komplementäre Eigenschaften eines Atomteilchens, zum Beispiel Ort und Impuls, seien nicht gleichzeitig beliebig genau bestimmbar. Auf die Charaktere des Stücks umgelegt kann man behaupten: Bei Georgie und ihrer blühenden Fantasie darf man sich nie so sicher sein, wann sie die Wahrheit sagt. Aber weiß man auch ganz genau, ob Alex, der ein Leben voller Routine geführt hat und niemals aus London herausgekommen ist, als alter Mann berechenbar bleibt? Peters und Klaußner vermitteln gekonnt, ja virtuos ein Quantum Trost: aber die Liebe! Man kann sie nicht wirklich berechnen. (norb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2018)

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