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Dieser Außerirdische will nur schlafen: Enttäuschendes David-Bowie-Stück am Volkstheater

Da hilft auch kein Würfel über dem Kopf: Günter Franzmeier als biederer Außerirdischer Newton.
Da hilft auch kein Würfel über dem Kopf: Günter Franzmeier als biederer Außerirdischer Newton.APA/HERBERT P. OCZERET
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Das Musical „Lazarus“ ist – im Gegensatz zum finsteren Album „Blackstar“ – kein großes Spätwerk David Bowies. In der neuen Wiener Version wird es vollends zur matten Nummernrevue. Mit viel Gin und deftigem Schlagzeug.

Schon tödlich krank, erinnerte sich David Bowie für das Musical „Lazarus“ – das am 7. Dezember 2015, einen Monat vor seinem Tod, in New York Premiere hatte – noch einmal an die vielleicht erschütterndeste Person, die er in seinem Leben war bzw. dargestellt hat (das konnte man bei ihm kaum trennen): an den Außerirdischen Thomas Newton im Film „The Man Who Fell To Earth“ (1976), der auf Suche nach Wasser der Erde verfällt. Bowie, dürr, von Paranoia geplagt, von Drogen mehr gehetzt als beflügelt, war ein Newton mit kalten Augen, glaubhaft gefühlsleer. Für das Musical schrieben er und Enda Welsh diese Rolle fort: Newton als ewiger Fremder, der nicht sterben kann, sich nach dem Tod sehnt, verfolgt von Dämonen aus seiner Vergangenheit, wie einst eine andere Bowie-Person: das Endzeitidol Ziggy Stardust.

Welches Drama! Was für ein mythisch – und popmythologisch – aufgeladenes Setting! Wie konnte es passieren, dass im Wiener Volkstheater daraus eine bestenfalls vergnügliche, ziemlich fade, keinen Moment verstörende Songrevue wurde?

Es liegt auch am Stück

Um fair zu sein: Es liegt zuerst auch an der Vorlage, am Stück: Bowie war nie der Mann für lange, stringente Handlungen, doch für experimentelles Theater ist der Text zu trivial, ja: zu banal. „Ich bin fertig mit diesem Leben – und ich erträume mir dort oben ein großes neues Universum“, sagt Newton etwa gegen Ende zu, wenn allen schon sattsam klar ist, dass es ihm ergeht wie dem guten alten E. T., wenn er nachhause telefonieren will. Die halblustige „Hamlet“-Anspielung – „Ich will sterben, schlafen, vielleicht auch träumen“ – dürfte aber eine Idee der Wiener Regie gewesen sein.

Nicht schuld ist die Bühne von Wolfgang Menardi, eine Mischung aus Atelier und Naturhistorischem Museum, besiedelt u. a. von einem Eisbär und einem Elch: Dieser Raum lässt Assoziationen zu und fasziniert. Im Gegensatz zu den Szenen, die sich in ihm abspielen. Regisseur Miloš Lolić hat sich offenbar mehr von der Rocky Horror Show inspirieren lassen als von einschlägigen Bowie-Videos: Aus jenen für „Boys Keep Swinging“ oder „Ashes To Ashes“ hätte er etwa lernen können, wie man die existenzielle Müdigkeit eines Akteurs ausdrücken kann. Er setzt lieber auf halbseidene Tändeleien, kombiniert wild Mode aus den Siebziger- und Achtzigerjahren, lässt seine Schauspieler anzüglich kokettieren wie in einer billigen Revue. Sich ständig an Ginflschen festhalten (Leitmotiv!). Und vor allem dauernd lächeln! Dadurch verlieren die Personen das Bisschen an Geheimnis, das sie ausstrahlen.

Hier klingt alles sehr deutschdeutsch

Gar keines strahlt Günter Franzmeier als Newton aus: Jovial und lässig, nie glaubhaft verzweifelt oder desorientiert, wirkt er eher wie eine Variation über Peter Maffay oder Marius Müller-Westernhagen als wie ein David-Bowie-Charakter. Zu diesem Eindruck mag auch der für einen – laut Angabe des Theaters – gebürtigen Welser verblüffend echt wirkende Ruhrgebiet-Akzent beitragen, den er sich angeeignet hat. (Wie überhaupt österreichische oder gar wienerische Sprachfärbung aus dem Volkstheater verschwunden zu sein scheint, dort betont man z. B. standardmäßig „bei mir“ auf dem „bei“.) Als sängerischer Bowie-Imitator überzeugt er mehr.

Christoph Rothenbuchner ist ein halbwegs routiniert outrierender Valentine, das Mörderische merkt man ihm bis zum Morden nicht an, und dann eigentlich auch nicht. Warum Rainer Galke den Newton-Michael als biederen Prolo-Rocker mit Fransenjacke darstellen muss, erschließt sich nicht, eine solche Figur passt weder in die Welt Newtons noch in die David Bowies.

Faszinierend blass: Katharina Klar

Die Einzige, die die fragile Faszination des Bowie-Schattenreichs ausstrahlt, ist Katharina Klar als namenloses Mädchen: Blass und entrückt blickend, wird sie auch der Aura von „Life On Mars“ gerecht. Isabella Knöll wirkt zumindest überzeugend aufgeregt, dass sie eine grauenhaft trivialisierte Version von „Always Crashing In The Same Car“ singen muss, dafür kann sie nichts.

Womit wir bei der Musik wären: Natürlich verlieren die Songs allein dadurch, dass sie meist recht unmotiviert zwischen den Szenen stehen. Die Band bemüht sich wacker, das Schlagzeug ist – außer in einer starken Passage in „Where Are We Now“ – durchgehend zu plump, schwerfällig. „,Heroes‘“ als abschließende Moral von der Geschicht' verliert seine Anführungszeichen, seine schillernde Ambivalenz.

Trotzdem wird diese Revue wohl allein durch die Strahlkraft des Namens David Bowie dem an schwacher Auslastung leidenden Volkstheater die Bilanz verbessern.

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