Claudius von Stolzmann: „Den Spaß muss man sich bewahren“

Einfach spielen. Das wollte Claudius von Stolzmann, der ­beinahe Droster geheißen hätte.
Einfach spielen. Das wollte Claudius von Stolzmann, der ­beinahe Droster geheißen hätte.(c) die Presse (Carolina Frank)
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Claudius von Stolzmann spielt in der Josefstadt einen Chaos-Ehemann, der eine gefährliche Liebschaft hat. „Privat sind bei mir aber noch nie Tassen geflogen“, sagt er.

Er ist schon viel herumgekommen, spricht auch mehrere Sprachen. Jetzt ist Claudius von Stolzmann froh, im Wiener Theater in der Josefstadt gelandet zu sein. Dort spielt er ab 16. Juni in Martin Crimps Psychokrimi „Auf dem Land“. Das Stück war in Luc Bondys Regie 2002 bei den Wiener Festwochen zu sehen. Die Geschichte in Kürze: Ein Arzt zieht mit seiner Frau und zwei Kindern aufs Land. Eines Tages erscheint der Mann mit einem bewusstlosen Mädchen in den Armen, das er angeblich auf der Straße gefunden hat. Wirklich? „Die Ehefrau ahnt, dass etwas nicht stimmt. Ein Gewitter entlädt sich zwischen diesen drei Menschen“, sagt Stolzmann. Nervt Theater auch manchmal? „Theater ist eine Fabrik“, sagt der Schauspieler, „viele verlieren den Idealismus. Es ist Intelligenz vonnöten, um sich den Spaß zu bewahren.“

Sie hatten einen starken Einstand in Wien mit der „Reifeprüfung“ und „Harold und Maude“ im Volkstheater. Ich sehe Sie mit einem Strick in der Hand, um sich aufzuhängen.
Das war „Harold und Maude“. In der „Reifeprüfung“ hatte ich einen Taucheranzug an. Das war schweißtreibend, den abzulegen.

(c) die Presse (Carolina Frank)

Bizarre Knaben sind Ihre Stärke.
Sie waren es früher. Mittlerweile nicht mehr so. Ich bin auf der Schwelle, aus den Knabenrollen herauszuwachsen.


Sie sind 36 und wirken sehr jung. Wie machen Sie das?
Sport. Ich klettere zum Beispiel sehr gern. Gelegentlich auch am Peilstein. Der Rundblick dort ist großartig, wie ein Gemälde.


Martin Crimps „Auf dem Land“ ist eine Art Krimi.
Ein Psychokrimi, ein Psychothriller. Das Stück handelt von einer Dreiecksbeziehung. Richard hat eine Affäre mit einer drogensüchtigen Patientin. Er hat selbst lange Drogen genommen. Dann gibt es diesen Moment, da er seine Geliebte, Rebecca, wieder trifft und ihr zu viele Drogen verabreicht. Er nimmt sie mit heim, damit sie nicht stirbt. Wir sehen Menschen, die oberflächlich aneinander vorbeireden, während sie sich subkutan Messer reinhauen.


Wie geht es Ihnen mit Beziehungen?
Gut. Bei mir sind noch nie die Tassen geflogen. Ich glaube, ich bin jemand, der private Konflikte eher vermeidet, eben weil ich sie von guten Autoren kenne. Wenn man diese Erfahrung gemacht hat, möchte man zu Hause nicht so eine Figur abgeben. Ich denke zum Beispiel an „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“


Theater ist auch ein Lernprozess.
Absolut. Ich lerne viel vom Theater.

(c) die Presse (Carolina Frank)

Wie hat das begonnen?
Als junger Mensch wollte ich einfach spielen, mich verkleiden, lustig sein. Ich wusste nichts von der Tiefe, die durch das Theater auf mich zukommen würde, und dass es mehr ist, als Leute zum Lachen zu bringen.


Was war Ihre erste Rolle?
Der Vogel in „Peter und der Wolf“. Der Vogel hatte keinen Text. Wir haben das Stück im Musikunterricht gemacht.


Kommen Sie aus einer künstlerischen Familie?
Mein Vater ist Kunsthistoriker, meine Mutter Apothekerin. Meine Eltern sind geschieden und haben mit neuen Partnern mehrere Kinder. Ich komme aus einer Patchworkfamilie. Der Bruder meines Vaters, Reinhard von Stolzmann, ist auch Schauspieler.


Sie haben einen imperialen Namen.
Ich bin sehr glücklich, dass ich Claudius heiße. Das „von“ lasse ich öfter weg, damit die Leute nicht glauben, ich halte mich für etwas Besseres. In Österreich werden ja sowieso keine Adelstitel verwendet. Mein Vater hat eine Vorliebe für ausgefallene Namen. Meine Schwester heißt Sandrine, mein Bruder Tristan. Wenn ich ein Mädchen geworden wäre, hätte ich Droste geheißen. Und weil ich ein Junge geworden bin, wollte mein Vater mich doch tatsächlich Droster nennen. Du liebe Güte. Meine Mutter las dann während der Schwangerschaft das Buch: „Ich Claudius, Kaiser und Gott“. Also wurde ich Claudius genannt. Claudius heißt auf Lateinisch: der Hinkende. Claudius war auch sprachbehindert.


Trotzdem wurde er Kaiser.
Keiner nahm ihn als Gefahr wahr. Als seine Verwandten sich im Kampf um den Thron alle gegenseitig umgebracht hatten, blieb nur noch er übrig. Als Claudius Kaiser wurde, offenbarte er, dass er weder hinkt noch stottert. Das muss man sich mal vorstellen, wie intelligent dieser Mann gewesen sein muss, dass er diese Täuschungsmanöver jahrelang durchgezogen hat.

(c) die Presse (Carolina Frank)

Am Theater muss man auch schlau sein, oder?
Es ist eine gewisse Intelligenz vonnöten, um keinen Schaden zu nehmen, wenn man mal am Theater gelandet ist. Man muss erkennen, dass Theater auch eine Fabrik ist, in der Regeln herrschen, an denen man nicht zugrunde gehen darf. Man muss lernen, sich einzufügen. Viele verlieren ihren Idealismus. Man muss sich den Spaß bewahren. Ich hoffe, das gelingt mir.


Sie haben in New York gelebt. Hat Ihnen das gefallen?
Ich habe in New York studiert. Ich hoffte, viel zu lernen. Aber da wird auch nur mit Wasser gekocht. Alles ist wahnsinnig teuer. Das Leben ist extrem schnell, es zehrt am Organismus – und alle haben Dollarzeichen in den Augen. Ich vermisse meine Freunde in New York. Aber ich möchte mich nicht dort niederlassen.


Gibt es in Wien noch Vorurteile gegen Deutsche?
Wenn mich einer Piefke nennt, rege ich mich nicht auf. Das finde ich eher lustig, wie ein Necken oder Anstupsen.


Werden Sie in Wien bleiben?
Ich habe es vor.


Hatten Sie nie Zweifel an Ihrer Berufung?
Umgekehrt. Ich habe zuerst Medizin studiert und Zweifel bekommen. Davor hatte ich begonnen, International Business in den Niederlanden zu studieren. Das war überhaupt ganz schlimm.


Wie fand das die Apotheker-Mutti, dass sie auf Schauspiel umgesattelt haben?
Mutti ist die Beste, auch wenn wir uns manchmal gut streiten können. Es war nicht immer alles eitel Sonnenschein zwischen uns. Mittlerweile, glaube ich, ist sie aber sehr glücklich über meinen Weg. Sie ist eine tolle Frau. Auch mein Vater ist der Beste. Meine Eltern haben mir Offenheit beigebracht.

(c) die Presse (Carolina Frank)

Sind Sie jetzt fix an der Josefstadt?
Seit September 2017. Davor hatte ich eine Rolle in „MS Pocahontas“. Dann kam „Shakes­peare in Love“, „In der Löwengrube“, „Josefstadt Calling“ – und im September inszeniert Janusz Kica „Die Reise der Verlorenen“.


Worum geht es da?
Im Zweiten Weltkrieg verfrachteten die Nazis 1000 Juden auf ein Kreuzfahrtschiff nach Kuba, obwohl sie wussten, dass die Kubaner keine Flüchtlinge aufnehmen würden. Die Amerikaner lehnten auch ab. England, Belgien, Frankreich und die Niederlande nahmen im letzten Moment je ein Kontingent auf. Jedoch wurden drei dieser Länder von den Nationalsozialisten überfallen, sodass letztlich kaum einer der Flüchtlinge überlebte.

Tipp

„Auf dem Land“. Die Premiere von Martin Crimps Dreiecksdrama findet am 16. Juni auf der Probebühne des Theaters in der Josefstadt statt.

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