Wiener Festwochen: Der trojanische Krieg passt gut nach Korea

Endlose Klage: Kim Kum-mi als Hekuba, Yi So-yeon als Kassandra in „Trojan Women“.
Endlose Klage: Kim Kum-mi als Hekuba, Yi So-yeon als Kassandra in „Trojan Women“.(c) National Theatre of Korea
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Zum Schluss noch eine gelungene Aufführung: "Trojan Women" im Theater an der Wien.

Zu Beginn sitzen die weiß gekleideten Frauen still auf der Bühne, mit roten Wollknäueln, die Fäden in den Händen. Sind es Moiren, die an den Lebensfäden stricken, das Schicksal bestimmen? Nein, es sind Troerinnen, Opfer des Schicksals, des zehnjährigen Krieges. Die Männer sind alle tot, nur Asche und Ruinen sind geblieben. Und die Klage, die unendliche Klage.

Sie klingt für unsere Ohren ungewohnt: Die Frauen der National Changgeuk Company of Korea verwenden den Sprechgesang der traditionellen koreanischen Oper, des Changgeuk, mit seinen Melismen und lang ausgehaltenen Vokalen. Bisweilen klingt es monoton, aber ist nicht Monotonie das Niederschmetterndste an einem irreversiblen Schicksal? Namenlos ist es nicht, das Schicksal, nicht bei Euripides, schon gar nicht in der Fassung von Sartre, die der Aufführung zugrunde liegt. Es sind Männer, die es bestimmt haben, Männer mit ihren wahnsinnigen Kriegen; die Frauen sind und bleiben Sklavinnen, nur die Besitzer wechseln. Kassandra soll als Nebenfrau zu Agamemnon, ins Bett des Feindes, Andromache zu Achills Sohn, die Königin Hekabe ist zur Sklavin des Odysseus bestimmt. Wie sie die Götter verflucht, die gegen diese Ruchlosigkeiten nicht einschreiten, ist ein Höhepunkt des Stücks.

Aber trägt sie, Hekabe, eine Schuld, weil sie Paris geboren hat, den Mann, dessen unglückliche Wahl – der Aphrodite und damit der Helena – alles ausgelöst hat? Frauen können nur als Mütter schuldig werden, nicht aktiv, diese Idee hört man hier heraus. Bis Helena selbst auftritt, vorgeführt von Menelaos, dem Mann, dem sie geraubt wurde. Aber war es wirklich Raub? Ist sie nicht doch freiwillig mitgekommen? Ist sie nicht doch mehr als nur Objekt und Opfer?

In der fantastischen, konzentrierten, vor Bildern der vier Elemente ablaufenden Inszenierung des Chinesen Ong Keng Sen wird Helena durch einen Mann dargestellt und gesungen, damit wolle der Regisseur der „ethnischen Dimension in Sartres Statement gegen Krieg und koloniale Praxis eine genderpolitische Dimension hinzufügen“, steht im Programm. Doch diese Idee scheint fragwürdig: Damit wird just die einzige Frau, die nicht nur Objekt der Geschichte ist, sondern – vielleicht – auch handelndes Subjekt, durch einen Mann verkörpert.

Helena mit Klavierbegleitung

Verständlicher ist eine andere Entscheidung der Regie: Wenn Helena singt und spricht, dann schweigen die traditionellen koreanischen Instrumente, und sie wird von einem Klavier begleitet. Das illustriert gut, dass beim trojanischen Krieg zwei Kulturen aufeinander getroffen sind, auch wenn Jahrhunderte später die Helden – und Heldinnen – Trojas ins Personenregister der griechischen Dramen aufgenommen und quasi gräzisiert werden sollten. Und es erinnert daran, wie wenig wir darüber wissen, wie diese Dramen einst wirklich klangen. Gewiss nicht wie heutige Theaterstücke oder Opern. Vielleicht eher – mit ihrer quantisierenden Metrik – wie koreanische Opern?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2018)

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