Reichenau: Festakt mit viel Weihrauch - und kleinen Keckheiten

Historisierender Spielstil und Publikumslieblinge als Schauspieler: Die Festspiele Reichenau feiern heuer ihren 30. Geburtstag. Petra Morzé als Blanche und Johanna Arrouas als Stella in „Endstation Sehnsucht“ von Tennessee Williams in Reichenau, zu sehen ab morgen, Dienstag.
Historisierender Spielstil und Publikumslieblinge als Schauspieler: Die Festspiele Reichenau feiern heuer ihren 30. Geburtstag. Petra Morzé als Blanche und Johanna Arrouas als Stella in „Endstation Sehnsucht“ von Tennessee Williams in Reichenau, zu sehen ab morgen, Dienstag.(c) Festspiele Reichenau, Foto: Dimo Dimov
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Die Festspiele Reichenau feiern heuer ihren 30. Geburtstag. An Weihrauch, um nicht zu sagen, an Selbstweihräucherung, fehlte es nicht beim Festakt am Sonntag.

„Ich hab eine gewisse Achtung vor Leuten, die auch im Sommer ins Theater gehen, sie müssen sich nicht alles bieten lassen“, soweit Arthur Schnitzle, der mit diesem Spruch den Festspielen Reichenau gewiss wenig Freude gemacht hätte, denn hier will man alles Mögliche bieten, aber auf keinen Fall Sommertheater. 30 Schauspieler versammelten sich Sonntag am späteren Nachmittag im Neuen Spielraum in Reichenau um den 30. Geburtstag des Festivals zu feiern – vor allem die Intendanten Renate und Peter Loidolt, die übrigens lieber Produzenten genannt werden wollen.

In diesem Wort steckt die Macht Hollywoods, jenes Teils der Filmindustrie, der nicht nur die Kunst im Auge hat, sondern auch den Kommerz: Welche Stoffe kommen beim Publikum an und welche Schauspieler will dieses sehen? Das ist auch in Reichenau eine zentrale Frage. Die Loidolts sind Filmfans, sie haben sich, durchaus bewusst im Gegensatz zum oft experimentellen Angebot in Städten, dem historisierenden Spielstil verschrieben. Mit Erfolg: Von 3000 Besuchern zu Beginn stieg die Zuschauerzahl auf über 40.000. Der Verein, der ein Vorkaufsrecht auf die begehrten Karten bietet, hatte anfangs 50, dann 500 und schließlich 4800 Mitglieder.

Auch als Rezensent macht man interessante Erfahrungen mit Tickets für Reichenau: Während die Begleiter und Begleiterinnen zu Premieren sonst öfter fragen: „Was ist es denn?“, greifen sie bei Reichenau-Karten sofort zu. An Weihrauch, um nicht zu sagen, an Selbstweihräucherung, fehlte es nicht beim Festakt am Sonntag. Stoff bietet das schön gestaltete Jubiläumsbuch von Michaela Schlögl, das seinerseits vom kompakten Festspielkonzept kündet. Es bietet viel bezaubernde Nostalgie für Fans, sprechende Bilder, hier war das Festival für Österreich durchaus Pionier, denn den Primat der Bilder haben selbst große Wiener Bühnen spät erkannt; es gibt Literaturzitate, solche von Dichtern und Schauspielern.

Bereits vor einem halben Jahr mussten die Mimen, die beim Festakt auftraten, ihre Reichenau-Huldigungen per Mail abgeben. Petra Morzé, die ab Dienstag (3. Juli) als Blanche in „Endstation Sehnsucht“ von Tennessee Williams zu sehen ist, machte sich darüber lustig und erinnerte sich an ihre Anfänge – als Ilona in „Anatols Hochzeitsmorgen“ von Schnitzler. Die meisten Vorstellungen in Reichenau hat Joseph Lorenz gespielt: 583. Mit Renate Loidolt gestaltet Lorenz öfter die beliebten Literatur-Matineen (heuer widmet man sich Joseph Roths Roman „Das falsche Gewicht), mit Regina Fritsch ist Lorenz im Festspielverein. Beim Festakt bezauberte Fritsch mit einer Reminiszenz an ihr frühes Erscheinen in Reichenau – als Salome Pockerl in Nestroys „Talisman“ – und sang „Ja, die Männer hams guat“. Miguel Herz-Kestranek, u. a. als Tunichtgut Nebel in Nestroys „Liebesgeschichten und Heiratssachen“ in Reichenau zu erleben, schrieb für die Jubilare ein nestroyisches Couplet - und meinte, gemünzt auf das beschauliche Leben in Reichenau außerhalb der Festspiele jahresüber: „Wennst im August kommst, kannst da nackert gehen.“  Am 4. 8. sind die letzten Vorstellungen.   

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