Shakespeare's Globe auf Tour: Crossdressing im Amphitheater

Art Carnuntum. Schon zu Shakespeares Zeiten spielten Knaben Frauenrollen, bei der Gender-Bender-Liebeskomödie „Was ihr wollt“ machte das das Chaos perfekt: Die tourenden Darsteller(innen) des Londoner Globe servierten das Stück in Carnuntum nun lustvoll wie anno dazumal.

Schon der Fußmarsch zum Theater ist ein liebliches Ereignis: Durch ein Weizenfeld, gesäumt von Mohnblumen, geht es vom Parkplatz zu den Ruinen des Amphitheaters der Römerstadt Carnuntum, dort, wo einst bis zu 13.000 Menschen Gladiatorenkämpfe verfolgten – und wo Art-Carnuntum-Gründer Piero Bordin nun alljährlich Theaterklassiker aufführen lässt. Nach einer Pause war heuer wieder Shakespeare's Globe aus London zu Gast. Im rekonstruierten Haus am Themseufer in Shoreditch, wo Shakespeare um 1600 einst selbst die meisten seiner Stücke zur Uraufführung brachte, experimentiert die renommierte Truppe unter Berücksichtigung der damaligen Spielbedingungen mit Shakespeares Erbe; bei ihren Welttourneen erinnert sie an die Wandertheatertruppen, die mit reduziertem Kostüm- und Bühnenbildaufwand durch die englischen Dörfer tingelten.

Sie wünschen, wir spielen

Auch auf seiner heurigen Tour mit acht Darstellern – davon vier Jungtalente – muss das Globe-Team mit einfachen Mitteln auskommen: Drei Stücke wurden in Carnuntum am Wochenende geboten (in einer Nachmittagsvorstellung konnte das Publikum, getreu den Konventionen in Elisabethanischen Zeiten, vor Ort abstimmen, was es sehen wollte), alles Nötige dafür muss in einen Lkw passen. Mehr als die abgenutzte Bretterverschlagkulisse brauchte es aber auch nicht, um am Sonntagabend „Twelfth Night“ („Was ihr wollt“, nach dem „Kaufmann von Venedig“ und „Der Widerspenstigen Zähmung“) lustvoll und ansprechend auf die provisorische Zeltbühne zu bringen.

Wie immer bei Shakespeare in Originalsprache empfahl es sich, die Handlung vorab nachzulesen, um das Sprachgewitter mitsamt seinen vielen Nuancen ganz auf sich einprasseln zu lassen. Die Darsteller musizierten, polterten, lallten, rülpsten, schmachteten und zitterten sich durch die Verwechslungskomödie, die davon erzählt, wie sprunghaft das sein kann, was man gerne die ewige Liebe nennt: Der illyrische Herzog Orsino (anmutig: Rhianna McGreevy mit atemberaubender roter Mähne) ist wie wahnsinnig in die Gräfin Olivia (Cynthia Emeagi) verliebt – und schickt zur Überbringung seiner Liebesschwüre die als Mann verkleidete Viola (Steffan Cennydd), die sich selbst in Orsino verschaut hat – und an deren männlicher Gestalt wiederum Olivia Gefallen findet. Das Chaos findet seinen Höhepunkt, als Violas totgeglaubter Bruder Sebastian im gleichen Aufzug durch die Stadt spaziert . . .

Crossdressing war schon zu Shakespeares Zeiten üblich, als Knaben Frauenrollen spielten, bei fahrenden Truppen ist es unvermeidbar – und hier passt es bestens zum Stück, das sich auch über „typisches“ Männer- und Frauenverhalten lustig macht. Belustigend sind hier übrigens vor allem die, die am meisten auf sich halten – während der melancholische Narr (großartig: Luke Brady) die weisesten Worte spricht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2018)

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