Samuel Finzi: „Kommt ein Pferd in die Bar“

Tour de force. Samuel Finzi muss für „Kommt ein Pferd in die Bar“ große Textmengen stemmen.
Tour de force. Samuel Finzi muss für „Kommt ein Pferd in die Bar“ große Textmengen stemmen.(c) die Presse (Carolina Frank)
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TV-Star Samuel Finzi spielt in Salzburg einen abgründigen Comedian und erklärt, warum Humor manchmal brachial sein muss.

„Kommt ein Pferd in die Bar“, wohl kein Titel des heurigen Schauspielprogramms der Salzburger Festspiele gibt mehr Rätsel auf als dieser. Dabei ist der Romanautor David Grossman in seiner Heimat Israel ein Star – wie Samuel Finzi in Deutschland. Finzi spielt in der szenischen Fassung des Buches, die der meist originelle Regisseur Dušan David Pařízek im Salzburger Republic inszeniert, den Protagonisten, den Stand-up-Comedian Dov Grinstein, der sich vor seinem Publikum entblößt, was teils komisch und teils grausam ist. Finzi wurde 1966 in Bulgarien geboren. Er verkörperte große Rollen an den wichtigsten deutschen Schauspielhäusern, darunter Kleists Amphitryon, Ibsens Peer Gynt oder Tschechows Ivanov. Die Initialzündung für seine Karriere lieferte Finzi sein Landsmann, der 2013 verstorbene Regietheater-Star Dimiter Gotscheff. Finzi ist auch in Film und TV präsent. An der Seite von Til Schweiger war er in „Kokowääh“ zu sehen. Seit 2005 spielt er den Rechtsmediziner Stormann im „Tatort“, ferner den Psychologen in „Flemming“, ebenfalls eine Krimireihe. Als „Experte für alles“ erklärte er die Welt in der „Show des Scheiterns“ (ZDF) und drehte mit Simon Verhoeven einen bissigen Spot für eine Versicherung – über den Paragrafendschungel in üblichen Verträgen solcher Anbieter.

„Kommt ein Pferd in die Bar“ hat am 8. August bei den Salzburger Festspielen Premiere und übersiedelt ab 5. September ins Wiener Akademietheater. Der Titel ist der Beginn eines Witzes. Finzi: „Ein Pferd kommt in die Bar und unterhält sich mit dem Barman, der irgendwann sagt: ,Was ziehst du für ein langes Gesicht?‘“ Dieser Witz ist ebenso wenig lustig wie der gallige Roman. „Dov oder Dovele Grinstein ist ein sehr guter Stand-up-Comedian gewesen“, erzählt Finzi: „Nach vielen Jahren hat er keine Lust mehr drauf und rechnet mit seinem Leben ab, mit dem, was er geschafft hat, mit den Kindern, die er gemacht hat, mit den Frauen und so weiter. Und das macht er öffentlich.“ Das Buch ist teilweise brutal, Grinstein beleidigt sein Publikum, das sich darüber königlich zu amüsieren scheint: „Was heißt brutal?“, fragt Finzi: „Dov redet einfach über die Päckchen, die er zu schleppen hat. Es werden sehr viele Themen in dem Roman angesprochen, darum ist er auch Weltliteratur. Die Meisterschaft liegt in der knappen Form, in der Grossman über unsere Schuld und unsere Komplexe erzählt. Das ist nicht nur ein jüdisches, sondern ein menschliches Problem, das alle betrifft. Es geht um das, was wir in unserem Leben richtig oder falsch machen.“ Ist Witz auch eine Waffe? Finzi: „Grinstein macht sich doch vor allem selbst kaputt. Dieses Buch besteht aus Abgründen, man kann über alles lachen, aber ob man das will?“ Grinsteins Witze sind teilweise frauenfeindlich, mit „Kuppelbaudesign und Botox de luxe“ kommentiert er die Erscheinung einer Besucherin, die darob lacht, „als ob sie gekitzelt würde“, wie es im Roman heißt. „Die Political Correctness ist heute ein großes Thema“, meint Finzi. „Doch: Das politisch Korrekte frisst uns den Kopf auf, weil man die Dinge nicht mehr aussprechen darf.“ In diesem Buch geht es auch um den beliebten und manchmal brachialen jüdischen Witz. „Der jüdische Witz“, erläutert Finzi, „ist nicht nur böse, sondern auch sehr lebensbejahend. Er zeigt immer diese Ambivalenz: Er hat nie nur den einen Blick, sondern mindestens zwei. Das ganze Leben wird in einer kurzen Geschichte relativiert. Kennen Sie den? Schlomo sagt zu seiner Rachel: ,Wenn einer von uns sterben sollte, Gott behüte, dann ziehe ich sofort nach Coney Island.‘ Das bedeutet doch: Schlomo schließt sich aus. Wie alle hat er die Hoffnung, dass er nie sterben wird. Es sind immer die anderen, die sterben.“

Kinder und Schnitzel. In Israel ist David Grossman, der mit Romanen wie „Löwenhonig“ – über den Samson-Mythos, in den Grossman Kritik an Israels Politik verpackte  – oder „Eine Frau flieht vor einer Nachricht“ in Europa bekannt wurde, als linker Friedensaktivist umstritten. „Ich werde nicht israelische Politik kommentieren“, betont Finzi: „Grossman ist ein politischer Mensch, er spricht die Situation des Landes an. Aber seine Bücher haben auch viel mit dem Allgemeinzustand der Welt zu tun, mit der Gewalt, damit, dass wir es nicht schaffen, Mauern abzubauen. Im Gegenteil, wir bauen ständig neue auf.“ Die Aufführung trägt im Wesentlichen ein Mensch, Dov/Finzi, die Textmasse ist enorm – fällt es ihm leicht, diese wie improvisiert klingenden Wortkaskaden einzustudieren? „Nichts fällt mir leicht!“, ruft Finzi. „Aber ich liebe diesen Roman, das ist ein Text, den ich unbedingt machen wollte. Damit ist die erste Hürde überwunden, weil manchmal macht man ja Sachen, die man nicht so mag. Trotzdem ist es nicht einfach, dieses Universum an Themen, Haltungen und Geschichten mit einem Fingerschnipser auf die Bühne zu bringen. Da muss ich mir schon Gedanken machen.“ Ist es leichter, sich zu etablieren, wenn man mit Kunst aufgewachsen ist? „Mein Vater ist Schauspieler, meine Mutter Musikerin, Kunst hat dadurch eine gewisse Selbstverständlichkeit für mich.“ Was bringt Finzi zum Lachen? „Vieles. Nur so kann ich dieses Leben weitertreiben, ich muss darüber lachen können, auch wenn es wehtut, es muss immer weitergehen. Am meisten freue ich mich über meine Kinder. Aber das ist privat. Und jetzt geh ich nach der langen Probe ein Schnitzel essen.“

Tipp

„Kommt ein Pferd in die Bar“. Premiere in Salzburg am 8. August. Ab 5. September im Akademietheater in Wien.

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