Bei der "Jedermann"-Premiere am Sonntag im Großen Festspielhaus gab es Standing Ovations für den Hauptdarsteller: Er verkörperte Jedermanns Ängste so lebendig wie kaum jemand in den letzten Jahrzehnten.
Schon wieder Regen: Petrus, dem gern Macht über das Wetter zugeschrieben wird, meint es nicht gut mit den "Jedermann"-Premieren. Auch die Wiederaufnahme der Inszenierung von Michael Sturminger musste statt auf dem Domplatz im Großen Festspielhaus stattfinden. Vielleicht gefällt es Gott nicht, dass dieser Jedermann den Dom auskernen, die Heiligenfiguren entfernen lassen will - für das Lustschloss, hier ein Haus der Lüste, vielleicht ein Bordell?
Es ist eine von vielen Textänderungen in diesem neuen, stark modernisierten "Jedermann", der 2017 teils mit Befremden, teils mit Neugier aufgenommen wurde. Wie man Regisseur Michael Sturmingers Einfälle auch beurteilen mag, Tobias Moretti hat sich die Rolle des reichen Mannes mit dem ihm eigenen rückhaltlosen Engagement anverwandelt. Obwohl hier ein Geschäftsmann von heute auf der Bühne steht, erleben wir so lebendig wie selten in den letzten Jahrzehnten Jedermanns Absturz, seine Ängste und seine Läuterung.
Stefanie Reinsperger steht Moretti würdig zur Seite, wobei allerdings unklar bleibt, was die beiden über das Schema "Alter Mann mit junger Frau" hinaus verbindet. Er liebt sie, aber sie bleibt distanziert, fast skeptisch, als hätte er sie schon vor seiner Konfrontation mit seinem Tod mit seinen Launen geplagt. Das Bild von diesem Paar bleibt verschwommen. Hofmannsthals Dramaturgie wurde umgestellt, durcheinander geworfen, bei der Zertrümmerung der Tafel traf ein Stuhl beinahe Besucher in der ersten Reihe, die Musik fährt mal wieder des Öfteren über den Text drüber, trotzdem: Die Modernisierung des "Jedermann" ist gelungen.
"Jedermann" bei den Salzburger Festspielen
Michael Sturminger war 2017 nach künstlerischen Differenzen mit dem früheren Regieteam relativ kurzfristig als "Jedermann"-Regisseur eingesprungen. Für die heurigen Festspiele machte er kaum Umbesetzungen, allerdings einige Textkorrekturen. 95 Minuten dauert seine Inszenierung. Die Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler hat angedeutet, sie könne vielleicht auch zum 100-Jahr-Jubiläum 2020 gezeigt werden. Heuer steht Sturmingers Version des Stücks von Hugo von Hofmannsthal jedenfalls bis 27. August noch 13 Mal auf dem Spielplan.