Doppelte Ehekrise in den letzten Kriegstagen

Michaela Ronzoni erzählt in Sonntags 1918 die Geschichte ihrer Urgroßeltern. Nicht sehr überzeugend.

Hauptdarsteller in diesem Stück sind Kulisse und Ausblick. In dem seit Jahren leer stehenden Kurhaus am Semmering zeigte schon Paulus Manker seine „Alma-Show“ – jetzt bringt der Kultursommer Semmering in seiner vierten Saison das Stück „Sonntags 1918“ auf die Bühne, das am Donnerstag Uraufführung hatte.

Autorin und Dramaturgin Michaela Ronzoni erzählt darin die Beziehungsgeschichte ihrer Urgroßeltern Artur und Stefanie: Sie wird 1918 in eine Lungenheilanstalt eingewiesen, er besucht sie jeden Sonntag. Auf der Zugfahrt aus Wien trifft er auf die aufgeweckte Geschäftsfrau Leopoldine, die wiederum ihren sensiblen und kaisertreuen Mann Hans im Kurhaus sehen will. Artur und Leopoldine kommen sich näher und verlassen nach vielen Tränen und Streit ihre Partner, um gemeinsam ein neues Leben zu beginnen. Hans zerbricht daran und am Untergang der Donaumonarchie. Stefanie erholt sich nie wieder von den Schmerzen der Trennung, den Schauspielerin Nevena Lukic dramatisch gut fassbar machen kann. Als jüdisches U-Boot überlebt sie später den Zweiten Weltkrieg in Wien, wird aber nie wieder richtig glücklich. Artur und Leopoldine heiraten, bekommen eine gemeinsame Tochter und bleiben bis zu ihrem Tod 45 Jahre später ein Paar. All das erzählt Michaela Ronzoni, wenn auch nur am Rande der Premiere. Im Stück konzentriert sie sich auf die letzten Kriegstage und den ungewöhnlich rasch vollzogenen Partnerwechsel.

Die Zuschauer erleben die meisten Szenen zusammen, auf der Terrasse vor dem Kurhaus oder im „braunen Salon“. Nur wenige Male werden sie in zwei Gruppen geteilt; Mitarbeiter, die in weißen Kitteln aussehen wie Angestellte des einstigen Kurhauses, weisen den Weg. Zwischendurch entsteht Gedränge auf den Gängen. Zu viel Aufwand für wenig lohnende Stationen in diesem Stationentheater (Regie: Klaus Rohrmoser). Auch wenn Ort und Geschichte spannend sind, reißt einen das Stück mit seinen gar kurzen Szenen kaum mit. Es fehlt an leisen Zwischentönen. Da wäre mehr gegangen an diesem Ort.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2018)

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