Volkstheater lässt Publikum über Juden-Darsteller abstimmen

Im Bild: Adrian Eröd als 'Shylock ein reicher Jude' in der Oper 'Der Kaufmann von Venedig'.
Im Bild: Adrian Eröd als 'Shylock ein reicher Jude' in der Oper 'Der Kaufmann von Venedig'.APA/DIETMAR STIPLOVSEK
  • Drucken

Es wird teil der Inszenierung von Shakespeares "Der Kaufmann von Venedig": Drei Figuren stehen zur Auswahl, mittels "Applaus-O-Meter" wird abgestimt.

Es soll die ultimative demokratische Entscheidung des Publikums werden: Bei den Vorstellungen von Shakespeares "Der Kaufmann von Venedig" im Wiener Volkstheater werden die Zuschauer darüber abstimmen, wer am jeweiligen Abend die Titelpartie des Juden Shylock spielen soll - die Schauspieler Rainer Galke und Sebastian Pass oder Kollegin Anja Herden. Premiere ist am 8. September.

Dieses ungewöhnliche Konzept setzt Intendantin Anna Badora als Regisseurin bei einem der umstrittensten Theaterklassiker um, ist der "Kaufmann" doch stets mit dem Vorwurf des Antisemitismus behaftet. Man werde als Theatermacherin deshalb oft gefragt, weshalb man dieses Stück auswähle, stellte Badora am Donnerstag vor Journalisten klar.

Noch nie so heftige hausinterne Diskussionen

Und das gelte nicht nur für die Außenwelt. "Ich habe noch nie so heftige hausinterne Diskussionen gehabt", machte die Intendantin deutlich. Das habe vom Gutmenschenvorwurf bis zur Forderung nach dem Abweichen vom politisch korrekten Weg gereicht.

Man fokussiere im Volkstheater deshalb beim "Kaufmann" weniger auf die Frage des Jüdischseins, als auf Klischees und gesellschaftliche Zuschreibungen im Allgemeinen. Dazu hat Badora mit ihrer Dramaturgin Anita Augustin das 1600 erstmals veröffentlichte Stück von Venedig in ein Casino verlegt. Alles ist Spiel, wird zum Spielobjekt. "Es ist eine Welt der Virtualitäten", so Augustin: eine Welt der Zocker versus den ernsthaften Kaufmann Shylock.

Mitspielen müssen aber auch die Theatergeher. Zunächst werden die drei Akteure am Beginn des Abends dem Publikum präsentiert, das im Anschluss mittels "Applaus-O-Meter" - also mittels Ovationen - über den Hauptdarsteller abstimmt. Dabei bemüht man sich, Auswahl zu bieten, wenn Galkes Shylock eher der seriöse Kapitalist ist, Pass' ein konservativer Jude und Herden die Jüdin, die sich in einer Männerwelt behauptet muss - inklusive leichter Textvariationen. "Es ist uns aber ganz wichtig, dass keine Moralisierung gegenüber dem Publikum stattfindet. Es ist eine Einladung mitzugestalten", betonte Augustin.

Die Wahl wird vor dem berühmten Shylock-Monolog dann inmitten des Stücks wiederholt. Die drei Shylock-Mimen sind somit nicht die einzigen Darsteller des Abends, die sich auf mehr als einen Part vorbereiten müssen. Wenn Herden den Shylock übernimmt, wird etwa Isabella Knöll die Portia spielen. Sollten Galke und Pass zum Zuge kommen, wird Herden in die Gewänder der Portia schlüpfen, während Knöll die Nerissa spielt. Die Spielfreude aller Beteiligten ist also gefragt. Premiere ist am 8. September.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.