Gregor Bloéb: „Ich bin ein Volksschauspieler“

„Ich bin ja ein Menschenversteher und ein Menschenfresser“: Gregor Bloéb bei der Arbeit.
„Ich bin ja ein Menschenversteher und ein Menschenfresser“: Gregor Bloéb bei der Arbeit. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Gregor Bloéb spielt in Carl Sternheims Komödie „Der Kandidat“ die Hauptrolle, einen Bankier, der in die Politik geht. Mit der „Presse“ sprach er über Frank Stronach und Geld, die Jagd und die Politik, #MeToo und seine Familie.

„Die Presse“: Gibt es Berührungspunkte zwischen Schauspielern und Politikern?

Gregor Bloéb: Schauspieler können Menschen zu sich holen und sie vereinnahmen. Manipulieren ist vielleicht ein übertriebenes Wort. Aber das gehört natürlich dazu, und somit gibt's Parallelen.


Leopold Russek, der Protagonist von Carl Sternheims Komödie „Der Kandidat“, ist ein Bankier, der in die Politik gehen möchte, weil ihm langweilig ist. Wo finden Sie Inspiration für diese Rolle?

Die Inspiration für meine Rollen nehme ich meist aus meinem persönlichen Umfeld. Ich bin ja ein Menschenversteher und ein Menschenfresser, ich habe Bekanntschaften und Freunde in vollkommen unterschiedlichen Metiers.


Kennen Sie sich mit Geldgeschäften aus?

Nein. Ich hatte noch nie eine Aktie. Mit Geld zu arbeiten finde ich unsexy. Es ist nichts Sinnliches, außerdem habe ich immer das Gefühl, es geht auf Kosten anderer.


Aber Geld ist doch wichtig, oder? Wofür geben Sie gern Geld aus?

Ich sage nicht, dass es nicht wichtig ist. Ich liebe es, Beute zu machen und mich nach einer Premiere zu belohnen. Aber ich finde, dass Geld arbeiten zu lassen kein Beruf ist. Ich liebe das Handwerk und kaufe gern schöne Dinge. Blumen, Möbel, Motorräder. Jedes Teil hat somit auch eine Geschichte. Der „Jägerstätter“-Schrank, das „Klinik unter Palmen“-Dach, die „Boxer“-Lampe usw.


Gehen Sie auf die Jagd?

Ja, und das hat viel mit „bei sich sein“ zu tun. Auch wenn ich gern in Gesellschaft bin, genieße ich die Einsamkeit auf der Jagdhütte. Und nach drei, vier Tagen komme ich dann wieder runter und habe für meine Familie die Tiefkühltruhe aufgefüllt.


Kehren wir zum Stück zurück. Der Russek wirkt ja teilweise eher bescheiden. Versteckt er etwas? Er ist nicht so ein bulliger Typ wie Donald Trump, oder?

Der Russek ist kein Zyniker. Er betritt nur ein Terrain, das für ihn ungewohnt ist. Ich glaube, dass er mit dem Empfinden, er wolle der Gesellschaft oder seiner Heimat etwas zurückgeben, in die Politik einsteigt.


Das klingt nach . . .

Frank Stronach. Können Sie sich daran erinnern, als er geradeheraus gesagt hat, dass er sich die Todesstrafe auch in Österreich vorstellen kann? Das war auf einer Autofahrt, und hinten hat man gesehen, wie sich seine Politikberaterin vor Entsetzen windet. Und jeder wusste: Jetzt ist es aus.


Da Sie jetzt einen Politiker spielen, was ist Ihr Wunsch für die Welt?

Dass wir die Umweltzerstörung in den Griff kriegen – und die damit unmittelbar zusammenhängenden Probleme mit Migration. Eine Umverteilung wäre auch nicht schlecht. Den Turbokapitalismus sollte man hinterfragen, und die Religionen könnten sich auch mal wieder auf ihre Aufgabe konzentrieren. Und ich gebe den Kampf gegen Spießigkeit, gegen die Political Correctness nicht auf. Ich halte sie für ein wirkliches Übel, und sie trägt Schuld an einer gesellschaftlichen Spaltung.


„Der Kandidat“ zeigt die Politik und besonders die Demokratie in einem fürchterlichen Licht, Russeks Mitstreiter wie auch seine Rivalen haben nur ihre Eigeninteressen im Auge. Sind Politiker wirklich so schlimm wie in dieser Komödie?

Na ja, viele Politiker, die ich kennengelernt habe, sind fleißig und arbeiten hart. Da kann man schon mal eine Lanze für diesen Berufsstand brechen. Kaum nehmen Politiker etwas in Angriff, werden sie beschimpft, je nachdem als links-linkes Gesindel, Nazis oder Gutmenschenabschaum. Also leicht haben sie's grad nicht.


Ihre Frau, die Schauspielerin Nina Proll, hat in der #MeToo-Debatte für Aufregung gesorgt, indem sie meinte, sie habe das kollektive Jammern satt. Sie haben sie dabei unterstützt. Ich finde #MeToo gut und richtig, aber man fragt sich, wie heutzutage ein Mann eine Frau aufreißen soll . . .

Das ist nicht mehr mein Thema. Zum Glück. Ich glaube, dass man das Wort „aufreißen“ gar nicht mehr sagen darf. Zumindest mir als Mann zuckt da schon ein rotes Ampelmännchen entgegen. Und genau da liegt das Problem von #MeToo. Ich denke sofort: Achtung, Falle! Ich sage Ihnen jetzt mal was ganz allgemein: Wir sind frei, wie es nie eine Gesellschaft vor uns gewesen ist. Und doch brauchen wir immer noch mehr Regeln. Absurd. Es scheint, dass der Mensch mit Freiheit gar nicht umgehen kann. Oder wie soll ich mir den Wunsch nach einem Wurstsemmelverbot in der U-Bahn erklären?


Aber das Stinken von Döner und Wurstsemmeln ist lästig. Für Sie nicht?

Lästig ja. Aber braucht es wirklich dafür ein Gesetz? Kann ich von einer Gesellschaft nicht mehr verlangen, dass sie mit Lästigkeiten umzugehen hat?


Sie sind Vater von vier Kindern zwischen sieben und 26. Was macht sie wütend oder narrisch?

Hysterie. Hysterie hat noch nie in der Welt etwas verbessert.


Wie soll man denn Zorn äußern, wenn er berechtigt ist?

Auf alle Fälle persönlich und direkt und ihn nicht als Anonymus im Internet rauslassen. Ich versuche, das Familienoberhaupt zu sein und alles mit einer gewissen Ruhe zu lösen. Es gibt wenige Dinge, die mich aufregen.


Sind Sie jetzt fix am Burgtheater?

Nein. Ich muss meine Zeit sehr genau einteilen zwischen dem Drehen und dem Theater. Meine Buben sind sieben, zehn und 17 Jahre alt. Die Arbeit besteht nicht nur aus Angebot und Nachfrage, sondern es gibt eine familiäre Logistik. Burgtheater-Rollen, das heißt sechs bis acht Wochen Probenzeit und weg von Zuhause. Wenn meine Frau auch arbeitet, wird's eng.


Haben Sie als Tiroler in Wien so etwas wie Migrationshintergrund?

Ich fühle mich extrem wohl in Wien, es ist ein tolles Zentrum für Kunst und Kultur. Ich gehe viel spazieren und ich staune täglich über diese Schönheit.


Bei Aufführungen mit Ihnen erinnert man sich immer hauptsächlich an Sie. Sind Sie eine Rampensau?

Zu den scheuen Schauspielern gehöre ich nun mal nicht. Ich liebe diesen Beruf. Es macht mir wahnsinnig viel Spaß, mein Herz zu zeigen und zu verschenken, sobald der Vorhang aufgeht. Wir haben ein großes Miteinander, das Publikum und ich. Ich bin ein Volksschauspieler und ich freue mich an allem, was ich tue, ob „Klinik unter Palmen“ oder Burgtheater. Ich bin dankbar, dass ich in dieser Breite spielen durfte, aber ich bin auch dankbar, dass ich bestimmte Dinge jetzt nicht mehr machen muss.

Zur Person

Gregor Bloéb wurde 1968 in Innsbruck geboren. In den 1990ern spielte er mit seinem Bruder Tobias Moretti in der „Piefke-Saga“. Er war in vielen TV- und Filmrollen zu sehen und auch an allen großen Wiener Bühnen, etwa als Widerstandskämpfer Jägerstätter in der Josefstadt oder als Florian Fett in „Liebesgeschichten und Heiratssachen“ an der Burg.

„Der Kandidat“ von Carl Sternheim nach Flaubert hat in der Regie von Georg Schmiedleitner am 31. Oktober im Akademietheater Premiere.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2018)

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