Groteske Farbschlacht im Schauspielhaus

(c) Schauspielhaus/Susanne Einzenberger
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Im Kammerspiel „Schlafende Männer“ wird ein Ehestreit mit Wiener Aktionismus angereichert.

Für Gemetzel aller Art ist so ein Künstleratelier ja ganz gut geeignet. Zumindest einrichtungstechnisch – wenn es ungefähr so beschaffen ist wie die Wohnung des gastgebenden Pärchens in Martin Crimps Stück „Schlafende Männer“, das im Wiener Schauspielhaus unter der Regie des Hausherrn, Tomas Schweigen, aufgeführt wird: Der Boden dieses schäbigen Lofts ist mit Plastikfolie ausgelegt, die Fensterscheiben sind mit weißer Farbe ausgemalt, man sitzt auf Getränkekisten, und die wenigen Möbel würden durch ein paar Blutspritzer in Sachen Wohnlichkeit höchstens aufgewertet.

Es beschleicht einen also von Anfang an die Vorahnung, dass Alkohol und Farbe nicht die einzigen Flüssigkeiten bleiben werden, die in diesem Kammerspiel fließen. Der britische Dramatiker Crimp ließ sich für sein Stück von Edward Albees „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ inspirieren – die Konstellation ist dieselbe, ein frustriertes Akademikerehepaar bekommt zu später Stunde Besuch von einem jüngeren Paar und nutzt das für tiefe gegenseitige Demütigungen. Die „bittere Energie“, die Crimp in der Vorlage fand, ließ er dann aber „auf Maria Lassnigs Bilder prallen“, wie das Programmheft erläutert. „Schlafende Männer“, so heißt auch ein Gemälde von ihr; schutzlos, aber selig liegen da die nackten Männer auf dem kahlen Boden, als würden sie die sichtlich unbequeme Lage dank der körperlichen Nähe zueinander bestens aushalten.

Dann wird die Gurke zerhackt

Um passive, genügsame Männer, die zueinanderfinden – und stichelnde, dominante Frauen, denen ihre Herren peinlich sind – geht es auch im Stück, das Crimp eigentlich vier Darstellern des Hamburger Schauspielhauses, wo die Uraufführung stattfand, auf den Leib geschrieben hat. Hier wird dem Ganzen noch Wiener Aktionismus beigemengt. Julia (Vera von Gunten) ist als Kunsthistorikerin damit befasst, mit ihrem Mann, Paul (Sebastian Schindegger), ist sie in kinderloser Langeweile verbunden. Ihre neue Angestellte, Josefine (Alina Schaller), und deren von Selbsthass erfüllter Freund, Tilman (Anton Widauer), nehmen wenigstens Drogen und haben dann Sex, an den sie sich später nicht mehr erinnern können.

Um das psychologische Ausloten von Konflikten geht es hier aber nicht, auch einen stringenten Aufbau vermisst man, dafür nutzen die Figuren jeden Anlass, um sich mit allerlei Substanzen anzuschütten, einzupinseln oder anderweitig einzusauen, Gurken zu zerhacken, Lebensmittel zu zerkauen, auszuspucken und wiederzukäuen, sich zu hauen und zu bedrängen – kurz: Nähe durch Gewalt herzustellen und sich das öde Leben durch „Kunst“ interessanter zu machen. Das ergibt ein paar grotesk-komische Szenen und absurde Wendungen, aber vor allem eine Inszenierung, die anscheinend nichts will als die maximale Patzerei. Das macht sie immerhin konsequent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2018)

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