Salzburg: Antike Mythen, Tränen und eine neue Buhlschaft

Magische Momente: Valery Tscheplanowa im Salzburger Sommer 2018 in „Die Perser“.
Magische Momente: Valery Tscheplanowa im Salzburger Sommer 2018 in „Die Perser“.imago/Rudolf Gigler
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Sellars, Stone, Freyer, Kosky, Kriegenburg: Prominente Regisseure prägen das Opernprogramm 2019.

Schon die erste Opernpremiere der Salzburger Festspiele 2019 könnte für ästhetische Debatten sorgen: Nach der heurigen „Clemenza di Tito“ widmen sich Regisseur Peter Sellars und Dirigent Teodor Currentzis wieder einer Mozart-Oper, „Idemeneo“ hat am 27. Juli Premiere. Currentzis dirigiert diesmal das Freiburger Barockorchester, Sellars will auch heutige Fragen, etwa die globale Erwärmung, behandeln. „Wenn wir über die antiken Erzählungen nachdenken, dann sollten wir das nur aus unserer Gegenwart tun“, meint dazu Intendant Markus Hinterhäuser, der am Mittwoch in Salzburg seine dritte Spielzeit vorstellte.

Nach „Macht“ (2017) und „Passion“ (2018) folgt das Generalthema „Mythos“, es geht um Schuld, Sühne, Rache, Opfer. Etwa in „Médée“ von Luigi Cherubini ab 30. Juli: Thomas Hengelbrock dirigiert die Philharmoniker, Simon Stone inszeniert, Sonya Yoncheva singt die Titelpartie. Als dritte Premiere folgt am 11. August George Enescus „Oedipe“, inszeniert von Achim Freyer, Ingo Metzmacher leitet die Wiener Philharmoniker.

Netrebko und Domingo konzertant

Zur humorvollen Brechung des Themas Antike soll Jacques Offenbachs Operette „Orpheus in der Unterwelt“ (ab 14. 8.) dienen, auch hier spielen die Wiener Philharmoniker, dirigiert von Enrique Mazzola, es singt u. a. Anne Sofie von Otter. Erstmals in Salzburg Regie führt Barrie Kosky, einst Co-Direktor am Wiener Schauspielhaus, nun Intendant der Komischen Oper Berlin.

Nicht im antiken Griechenland, sondern im spätmittelalterlichen Genua spielt Verdis „Simon Boccanegra“ (ab 15. 8.), Valery Gergiev dirigiert die Philharmoniker, es inszeniert Andreas Kriegenburg, der 2017 bei den Salzburger Festspielen Schostakowitschs „Lady Macbeth“ betreut hat.

Von den Pfingstfestspielen übernommen wird Damiano Michielettos Inszenierung von Händels „Alcina“ mit Cecilia Bartoli in der Titelrolle; dazu wird die heurige monumentale Castellucci-Inszenierung von „Salome“ neuerlich gezeigt – mit der viel gelobten Asmik Grigorian in der Titelpartie. Anna Netrebko singt an der Seite ihres Mannes Yusif Eyvazov in einer konzertanten Version von „Adriana Lecouvreur“. Placido Domingo singt den Miller und Piotr Beczala den Rodolfo in Verdis „Luisa Miller“, auch konzertant, auch mit dem Mozarteumorchester.

Im Konzertprogramm ist dem 1955 in Nancy geborenen Komponisten Pascal Dusapin ein „Zeit mit“-Schwerpunkt gewidmet, gespielt werden u. a. – zum Generalthema passend – seine Oper „Medeamaterial“ nach Heiner Müller und sein Orchesterwerk „Morning In Long Island“. Die zweite Personale gilt George Enescu.

Das zentrale Motiv der Ouverture Spirituelle sind heuer die Tränen: Sie beginnt mit dem A-cappella-Werk „Lagrime di San Pietro“ in einer szenischen Adaption von Peter Sellars mit dem Los Angeles Master Chorale in der Kollegienkirche, es folgen u. a. Sofia Gubaidulinas wortlose „Sieben Worte“, Marc-Antoine Charpentiers „Stabat Mater“-Vertonungen und John Dowlands „Lachrimae, or Seaven Teares“.

Karajan-Gedenken mit Muti

Die Wiener Philharmoniker gestalten wie gewohnt fünf Konzertprogramme: mit Muti (Verdis „Messa da Requiem“ im Andenken an Karajan), Herbert Blomstedt (Mahlers Neunte), Daniel Barenboim (Mahlers Fünfte, „Kindertotenlieder“), Welser-Möst (Wagner, Strauss, Schostakowitsch) und Bernard Haitink (Bruckners Siebte u. a.). Zu Gast sind das SWR Symphonieorchester unter Currentzis, das Symphonieorchester des BR, der West-Eastern-Divan und die Berliner Philharmoniker. Liederabende geben Christian Gerhaher, Patricia Petibon und Diana Damrau; Intendant Hinterhäuser selbst spielt mit Matthias Goerne die „Winterreise“, visualisiert von William Kentridge, eine Produktion der Wiener Festwochen 2014.

Gorki, Horváth, Schnitzler

Bei den Festwochen 2018 hat der ungarische Regisseur Kornél Mundruczó die „Winterreise“ bebildert, bei den Festspielen 2019 inszeniert er Molnars „Liliom“ auf der Pernerinsel, bringt die Hauptfigur gleich vors Jüngste Gericht. Thomas Ostermeier verantwortet eine Dramatisierung von Horváths „Jugend ohne Gott“, Mateja Koleznik inszeniert auf der Pernerinsel Gorkis „Sommergäste“ (u. a. mit Martin Schwab). Uraufgeführt wird Theresia Walsers „Die Empörten“.

Beim „Jedermann“ bleibt Michael Sturmingers Inszenierung mit Tobias Moretti, dessen Bruder Gregor Bloéb als Guter Gesell und Teufel dazukommt. Statt Stefanie Reinsperger spielt die gebürtige Russin Valery Tscheplanowa die Buhlschaft. (APA/red.)

DIE NEUE BUHLSCHAFT

Valery Tscheplanowa, geboren 1980 in Kasan (in der ehemaligen Sowjetunion), kam als Achtjährige nach Deutschland. Sie lernte Tanz in Dresden, studierte Schauspiel an der Hochschule „Ernst Busch“. Sie spielte am Deutschen Theater Berlin, am Schauspiel Frankfurt (u. a. die Maria Stuart und Kleists Kätchen), am Residenztheater München und an der Berliner Volksbühne. In Frank Castorfs letzter Inszenierung dort, dem „Faust“, gab sie das Gretchen und die Helena.„Ich vergleiche mich gern mit Bionahrungsmitteln. Ich würde sagen, ich bin eine Bioschauspielerin“, sagte sie im Juli 2018 im „Schaufenster“ der „Presse“ – da stand sie bei den Salzburger Festspielen knapp vor der Premiere von Aischylos' „Die Perser“, in denen sie, teils barbusig und weiß bemalt, als Geist des alten Perserkönigs Dareios Ratschläge aus dem Totenreich übermittelte. Von „magischen Momenten“ schrieb die „Presse“. Nun wird sie die Buhlschaft im „Jedermann“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2018)

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Valery Tscheplanowa wird neue Buhlschaft - zu sehen war sie schon heuer bei den Festspielen, nämlich in der Tragödie "Die Perser" von Aischylos.
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Thema Mythos: Was und wen die Salzburger Festspiele 2019 zeigen

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